Charles Moore, erzkonservativer Ex-Chefredakteur des "Telegraph" und Thatcher-Biograph, fällt vom kapitalistischem Glauben ab. In einer international vielbeachteten Kolumne bekennt er: "Ich fange an zu denken, dass die Linke vielleicht doch Recht hat".
In Großbritannien und auch in den USA gilt Charles Moore als einer der konservativsten Schreiber. Der Ex-Chefredakteur des "Telegraph" ist gleichzeitig Biograph von Margret Thatcher und machte aus seiner Sympathie für die Republikaner und seiner Nähe zu Ronald Reagen keinen Hehl. Doch die Finanzkrise änderte seine Meinung radikal. In einem Aufsehen erregenden Kommentar, der bereits vor anderthalb Jahren im "Telegraph" erschien, rechnet Moore mit der heutigen Form des Kapitalismus ab und kommt zu dem bitteren Schluss: "Ich fange an zu denken, dass die Linke vielleicht doch Recht hat".
Moore schreibt: "Ich habe mehr als 30 Jahre gebraucht, um mir diese Frage zu stellen. Aber heute muss ich es tun: Hat die Linke doch Recht?" Und fährt fort: "Die Reichen werden reicher, aber die Löhne sinken. Die Freiheit, die dadurch entsteht, ist allein ihre Freiheit. Fast alle arbeiten heute härter, leben unsicherer, damit wenige im Reichtum schwimmen. Die Demokratie, die den Leuten dienen sollte, füllt die Taschen von Bankern, Zeitungsbaronen und anderen Milliardären."
Dann blendet Moore zurück zu seinen Anfängen als Journalist. Damals, in den 80er-Jahren, entfesselte Thatcher die Finanzmärkte und zerschlug die Gewerkschaften. Moore unterstützte beides. Nun schreibt er: "Die Kreditkrise hat gezeigt, wie diese Freiheit gekidnappt wird. Die Banken sind ein Spielfeld für Abenteurer, die reich werden, auch wenn sie Milliarden verfeuern. Die Rolle aller anderen ist, ihre Rechnung zu zahlen."
Und zum damaligen Verbündeten von Thatcher, dem Verleger Rupert Murdoch, schreibt er: "Murdoch argumentierte immer mit dem Recht der Leser. Aber seine Zeitungen informieren erbärmlich. Sie verschafften ihm persönlich Macht, nicht seinen Lesern."
Moore beschreibt die "schrille" Kompromisslosigkeit der Republikaner in den USA. Und bemerkt: "Die westliche Demokratie fängt an, wie ein aussterbender Luxus auszusehen. Klar können wir Fähnchen mit dem Aufdruck 'Freiheit' schwingen. Aber auf ihnen steht, kleingedruckt, 'Made in China'."
Und er endet: "Das alles ist eine schreckliche Enttäuschung für uns, die wir an freie Märkte glaubten, weil sie freie Menschen hervorbringen würden..."