Der Libor Skandal zieht immer weitere Kreise. Eine weltweite Mafia aus Banken, Politikern und Zentralbanken manipulierte die Zinssätze und kassierten Milliarden. Auch die Deutsche Bank mischte offenbar mit. Löst der Vorgang eine finale Vertrausenskrise bei globalen Finanzinstiuten aus?
von Michael Mross
Der Euribor- / Libor-Skandal weitet sich aus. Ein undurchsichtiges Geflecht aus Zentralbanken, Politikern und Finanzinstiuten manipulierten diesen wichtigen Zinsatz offenbar nach Belieben und erzielten Milliardengewinne. Barclays in Großbritannien ist offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Global sollen sich fast alle großen Banken an dem Spiel beteiligt haben. Auch die Deutsche Bank ist im Gespräch. Ob auch die Commerzbank betroffen ist, steht noch nicht fest. In der Schweiz wird gegen die UBS ermittelt.
Was wussten die Zentralbanken?
Die Aussagen von Barclays werfen ein Schlaglicht auf die Rolle der Bank von England und Regierungsvertretern in der Affäre: Nach Angaben von Barclays sei man 2008 davon ausgegangen, dass die Notenbank falsche Angaben des Geldhauses zur Ermittlung des Referenz-Zinssatzes Libor gutheiße. Gerüchten zufolge soll auch die EZB und die schweizerische SNB von den Zinsmanipulationen gewusst haben, sind aber nicht eingeschritten. Das alles zeigt, dass die Zentralbanken offenbar genau wussten, was los war und den illegalen Handel offen duldeten.
Nach Angaben von Bob Diamond, Ex-Chef von Barclays, waren viele Banken an dem Spiel beteiligt. Vor dem Untersuchungsausschuss in London sagte der Banker: "Jeder im Finanzsektor wusste, dass etwas nicht stimmt mit dem Libor."
In Bezug auf Deutschland erwähnte er explizit die WestLB, welche nach seiner Meinung zu niedrige Zinssätze geboten habe. Pressemeldungen zufolge wird derezit insgesamt gegen 19 Banken ermittelt, darunter auch die Deutsche Bank. Hier könnten demnächst frische Köpfe rollen, denn Anshu Jain soll angeblich direkt in London an der "Libor-Findung" beteiligt gewesen sein. Angeblich zittert man in den Deutsche Bank Türmen bereits dem Fortgang der Ermittlungen entgegen, welche nicht nur das Vertrauen in einzelne Banken untermenieren, sondern am Ende gar das Vertrauen ins gesamte Geldsystem infrage stellen.
Beim britischen Untersuchungsausschuss, welcher gestern den Ex-Barclays-Chef grillte, wurde auch die Vermutung geäußert, dass möglicherweise nicht nur die Zinsen manipuliert wurden, sondern dass der Skandal noch viel weiter reiche und auch andere Bereiche von illegalem Handel betroffen seien.
Fetter Bonus durch Betrug?
Was den Untersuchungsausschuss in Sachen Barclays in London besonders empörte war die Tatsache, dass die Banker durch die Manipulationen unlautere Gewinne erwirtschafteten, welche am Ende zu fetten Bonus-Zahlungen führten. So bereicherten sich die Angeklagten praktisch persönlich direkt durch ihr illegales Handeln.
Doch damit nicht genug. Auch die zurückgetretenen Barclays-Banker fordern noch einen Bonus. Der britische Premierminister David Cameron hat sich allerdings gegen hohe Abfindungen für Bank-Manager ausgesprochen, die wegen des Skandals um die Manipulation von Marktzinsen zurückgetreten sind. "Ich denke, es wäre absolut falsch, Leuten, die unter diesen Umständen gegangen sind, große Abfindungen zu zahlen".
Euribor und Libor - die wichtigsten Zinsreferenzsätze
An den Zinssätzen von Euribor und Libor orientieren sich viele Kredit- und Refinanzierungsgeschäfte der Banken. Schon kleinste Änderungen reichen aus, um Milliardenverluste oder Gewinne zu erzeugen. Generell gilt: wenn die Zinssaätze eher niedrig sind, können sich die Banken billiger finanzieren. Das Nachsehen haben dabei jene, welche das Geld leihen und entsprechend schlechtere Konditionen erhalten (z.B. Geldmarktfonds).
Es ist eine Art großer Insiderhandel, bei dem es auch manchmal in die andere Richtung ging - so wie es die Beteiligten am besten brauchen konnten, wenn sie in eine bestimmte Richtung spekulierten. In der Anklage wird ausdrücklich erwähnt, dass die Banken die Zinssätze in die Richtungen steuerten, welche für sie in Anbetracht der aktuellen Derivate-Position die meisten Gewinne brachten.
Zwei Vorwürfe stehen Raum: Zum einen sollen sich die Händler einer Reihe von Banken durch die Manipulation des Libor bereichert haben. Dabei sollen die Banker eine Art Kartell gebildet haben, um die Sätze in eine Richtung zu lenken, die den Wert ihrer eigenen Derivatepositionen steigerte. "Heute bräuchten wir einen ziemlich niedrigen Satz bei den Dreimonats-Laufzeiten, sonst kostet uns das ein Vermögen", heißt es in einer E-Mail eines der beschuldigten Barclays-Händler.
Zum anderen sollen einige der damals am Libor-Fixing beteiligten Banken in den Krisenjahren 2007 und 2008 systematisch zu niedrige Zinsen gemeldet haben, um die verunsicherten Märkte zu beruhigen.