Während die Cockpitgespräche von Gernanwings 4U9525 schon zwei Tage später bis zum letzten Atemzug veröffentlicht wurden, werden sie bei MH17 immer noch verheimlicht. Während die Politik bei Germanwings vor voreiiligen Spekulationen warnte, stand bei MH17 der Schuldige sofort fest. - Welche Rolle spielen psychische Erkrankungen bei Personen wie Piloten oder Lokführeren?
Von Axel Retz
Ich kenne zwei Piloten von Langstreckenflugzeugen. Und zu beiden würde ich mich sofort in den Flieger setzen. Ein paar mehr Lokführer kenne ich auch. Und bei einem von ihnen bekämen Sie mich nicht freiwillig in den Zug. Auch er hat eine psychische Erkrankung, derentwegen er sich wiederholt in Behandlung befand. Ob sein Arbeitgeber das weiß, das wage ich zu bezweifeln.
Zweierlei fällt nach diesem grausigen Ereignis der GermanWings-Maschine auf: Obwohl die Anzahl psychischer Erkrankungen in unserem Land in den letzten Jahren in Angst erregendem Tempo zugenommen hat, sind Gesellschaft und Arbeitgeber dafür noch nicht hinreichend sensibilisiert. Depressionen und schwerster Alkoholmissbrauch werden immer noch tabuisiert, letztere auch gerne als Kavaliersdelikt abgetan.
Ich selbst kann mich noch gut daran erinnern, einmal in einem Unternehmen gearbeitet zu haben, in dem die Geschäftsleitung irgendwann per Dekret verordnete, dass Alkohol am Arbeitsplatz erst ab 17 Uhr gestattet sei. Abgesehen von eben dieser Geschäftsleitung und ihren Protegés hielt man sich weitgehend daran.
Zum zweiten sticht ins Auge, dass ein vermeintliches Mehr an Sicherheit, wie es ja die nach Nine eleven ersonnenen, verstärkten Cockpittüren darstellt, eben auch selbst zum Sicherheitsrisiko werden können. Gut gedacht und schlecht gemacht.
Last but not least: In einer ersten Reaktion auf den Absturz der GermanWings-Maschine beklagte Bundeskanzlerin Merkel den Tod vieler Menschen und mahnte, nicht über die Absturzursache zu spekulieren. Viel sei noch nicht über diese Ursache bekannt und sie müsse gründlich aufgeklärt werden.
Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Und wo nicht, da nicht. Bei MH17 hat niemand über die Absturzursache spekuliert - man „kannte“ sie, kaum dass der Flieger am Boden war. Und eine gründliche Aufklärung hat es bis heute entweder noch nicht gegeben oder man enthält ihr Ergebnis der Öffentlichkeit aus gutem Grunde vor. Wäre Frankreich enger Verbündeter Russlands, das garantiere ich Ihnen, hätten wir heute eine ganz andere Art von Berichterstattung. Das ist zum einen traurig. Und noch viel mehr beschämender.