Liebe Leser,
der deutsche Leitindex DAX ist mit Kursabschlägen in die neue Handelswoche gestartet und auf gut 11.500 Punkte abgesackt. Während die Unternehmen in diesen Tagen mehrheitlich mit starken Quartalszahlen glänzen, dominieren auf der Verkäuferseite politische Ängste.
Die Wahl von Donald Trump in den USA hat gezeigt, dass wir mit Überraschungen rechnen müssen. Da 2017 viele Wahlen auf dem Programm stehen (zum Beispiel in Deutschland, Frankreich, Niederlande), sorgt das zu Jahresbeginn für Unsicherheit.
Der Faktor Politik muss für die Börse jedoch nicht negativ sein. So ist die chinesische Regierung bestrebt, dass sich die chinesischen Unternehmen international vernetzen und neue Technologien auch durch kurssteigernde Übernahmen erwerben.
So waren chinesische Investoren im vergangenen Jahr in Europa und in Deutschland sehr aktiv, wie aktuelle Statistiken zeigen. Die Zahl der Übernahmen durch chinesische Investoren in Europa und in Deutschland war im Jahr 2016 so hoch wie nie zuvor.
Insgesamt kauften chinesische Investoren nach Angaben von Ernst & Young (EY) im vergangenen Jahr 309 europäische Unternehmen. Davon kamen 68 Unternehmen aus Deutschland. Darunter waren gleich 4 Übernahmen mit einem Volumen von 1 Mrd. Euro oder mehr. Die größte Übernahme war dabei der Kauf des Roboter-Spezialisten Kuka für rund 4,7 Mrd. US-Dollar durch den chinesischen Haushaltsgerätehersteller Midea.
2 sehr unterschiedliche Halbjahre
Der Trend, dass Chinesen immer stärker auf dem europäischen Übernahmemarkt mitmischen, verlangsamte sich im 2. Halbjahr 2016 spürbar.
Während das gesamte Übernahmevolumen in Europa durch chinesische Investoren im 1. Halbjahr 2016 noch bei knapp 73 Mrd. US-Dollar lag, waren es im 2. Halbjahr nur noch 13 Mrd. US-Dollar. Auch wenn man die 44 Mrd. US-Dollar schwere (und noch schwebende) Übernahme von Syngenta, die ins 1. Halbjahr fällt, herausrechnet, bleibt dennoch ein starker Rückgang im 2. Halbjahr.
Das ist ein gutes Zeichen, da diese Statistik belegt, dass die Chinesen nicht „blind“ Unternehmen einsammeln, sondern dann zuschlagen, wenn eine Übernahme einen echten Nutzen bringt. Eine Blasenbildung am Übernahmemarkt ist also nicht in Sicht.
Gescheiterte Aixtron-Übernahme als Abkühlung?
Einige Marktbeobachter sehen die gescheiterte Übernahme des Spezialmaschinenbauers Aixtron durch Chinas Grand Chip Investment als eine Art Abkühlung des vorher leicht überhitzten Marktes.
Zum Hintergrund: Die Aixtron-Übernahme wurde abgesagt, nachdem der damalige US-Präsident Barack Obama die Übernahme des US-Geschäfts von Aixtron durch ein chinesisches Unternehmen aufgrund von Sicherheitsbedenken verboten hatte.
Auch in der deutschen Politik und in deutschen Gewerkschaften werden die Übernahmeaktivitäten chinesischer Investoren in Deutschland zum Teil kritisch gesehen. Ich hingegen denke weder, dass Übernahmen deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren pauschal schädlich sind, noch, dass die gescheiterte Aixtron-Übernahme eine Art Wendepunkt war.
Yi Sun, China-Expertin bei Ernst & Young, sagt: „Es ist verständlich, dass die Politik bestimmte Schlüsselindustrien schützen will. Andererseits ist für viele deutsche Unternehmen ein chinesischer Investor ein Glücksfall – er bietet zum Teil hohe Finanzressourcen, einen besseren Zugang zum chinesischen Markt und damit Zukunftsperspektiven.“ Daher sollten aus ihrer Sicht etwaige Verbote von Übernahmen durch chinesische Investoren sehr gut abgewogen werden.
2017 wird es weitere Übernahmen geben
Ich gehe davon aus, dass das Volumen der chinesischen Übernahmeaktivitäten ausgehend von dem vergleichsweise niedrigen Niveau des 2. Halbjahres 2016 wieder anziehen wird und begrüße das auch.
Sie als Aktionäre können davon profitieren. Denn im Rahmen von Übernahmen werden in der Regel attraktive Übernahmeprämien gezahlt. Schade ist dabei jedoch, dass sich seit Jahren der deutsche Kurszettel durch Übernahmen und Fusionen verkürzt und zu wenige neue börsennotierte Unternehmen den Markt betreten.