Mit den Ereignissen auf Zypern startet die Eurokrise in eine neue Phase. Ist Zypern nur ein Testlauf? Boston Consulting Group schlägt Enteignung von rund 30% vor, um die Schuldenkrise zu lösen. - In Deutschland würde angeblich 11% Enteignung reichen.
Von Roland Klaus
Mit den Ereignissen auf Zypern startet die Eurokrise in eine neue Phase. Erstmals werden auch Bankeinlagen und damit die ganz normalen privaten Spargelder zur Ader gelassen. Bei Einlagen bis 100.000 Euro werden 6,75 Prozent enteignet. Darüber sind es 9,9 Prozent. Auf der einen Seite ist diese Vorgehensweise konsequent, weil sie diejenigen ruhigstellt, die bisher bemängelten, dass mit der „Rettung“ Zyperns letztlich nur russische Oligarchen gerettet würden. Nun müssen auch diese einen Beitrag leisten, auch wenn er nicht übermäßig hoch ausfällt.
Auf der anderen Seite überschreitet die EU-Politik mit dem Zugriff auf die Sparergelder eine rote Linie und trifft eine Entscheidung, die ihr noch um die Ohren fliegen dürfte. Denn das Signal, das hier gesetzt wird, ist eindeutig: Nicht nur die Aktionäre oder Kreditgeber von Banken und die Steuerzahler sollen künftig bezahlen, sondern auch die Sparer. Die Auswirkungen kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur erahnen, sie dürften aber massiv sein. Wie werden Anleger in Spanien, Italien, Griechenland oder Portugal diesen Schritt interpretieren? Heute Zypern, morgen wir – das scheint die logische Schlussfolgerung zu sein.
Dass entsprechende Gedankenspiele in der Politik verbreitet sind, zeigt unter anderem die Boston-Consulting-Studie „Back to Mesopotamia“, über die ich bereits vor rund anderthalb Jahren geschrieben habe. Dort wird genau nachgerechnet, wie hoch eine Steuer auf die privaten Vermögen ausfallen müsste, um die staatlichen Schulden wieder in den allseits akzeptierten Rahmen von 60 Prozent des BIP zu bringen. Insgesamt verfügen die privaten Haushalte in der Eurozone über ein Vermögen von 18 Billionen Euro. Würde man ein Drittel davon „wegbesteuern“, dann hätte man das Schuldenproblem (fürs erste) gelöst.
Auf nationaler Ebene sehen die Zahlen wesentlich uneinheitlicher aus. In Deutschland wäre es ausreichend, 11 Prozent zu verstaatlichen. In Griechenland müsste es schon mehr als die Hälfte sein und in Irland würde noch nicht einmal das komplette private Vermögen ausreichen, um die Schuldenlast wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Diese Zahlen zeigen, dass die Enteignungspläne auf Zypern nur der Anfang sein dürften – und dass sie nicht auf Zypern begrenzt bleiben werden. Die Folge könnten lange Schlangen von Kunden vor den Banken in Südeuropa sein, die ihr Geld abheben wollen – ein Bank Run, wie die Experten sagen. Wer kann, dürfte zumindest Teile seines Geldes in bar halten oder in vermeintlich sichere Länder wie Deutschland bringen. Oder noch besser: gleich außerhalb der EU. Die mühsam von der EZB eingedämmte Kapitalflucht wird wieder aufflammen – alles andere würde mich sehr überraschen.
In Spanien beispielsweise bekommen die angeschlagenen Banken 40 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds ESM. Dort ist bislang von einer Verstaatlichung von Anlegergeldern nicht die Rede. Aber mit welcher Rechtfertigung eigentlich? Die Angst vor vergleichbaren Schritten wie auf Zypern wird zahlreiche Anleger im Süden aus dem Land treiben. Der Blick auf die zuletzt wieder geschrumpften Target-2-Salden wird spannend!
Kurzfristig dürfte Deutschland profitieren. Die deutschen Banken werden vermutlich mit Einlagen überschüttet, die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen dürften noch weiter sinken – Stichwort: sicherer Hafen. Doch mittelfristig gilt: Die Büchse der Pandora ist offen. Wer über den Tellerrand schaut, darf sich auch als Anleger in Deutschland nicht sicher fühlen. Wenn heute die Sparer auf Zypern rasiert werden – wer sagt uns, dass dies nicht morgen oder übermorgen auch bei uns möglich ist? Und warum eigentlich nur die Besitzer von Sparbüchern? Wieso nicht auch die Eigentümer von Immobilien und Edelmetallen? Die Aktionäre? Oder die Besitzer von Lebensversicherungen?
Die Maßnahmen auf Zypern, so unwichtig sie auf den ersten Blick zu sein scheinen, haben das Potenzial, die Eurokrise wieder neu zu entflammen. Und sie zeigen eines ganz deutlich: Eine Internationalisierung der privaten Geldanlage, wie ich sie in meinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ beschrieben habe, ist dringend notwendig. Wer sein Vermögen ausschließlich bei deutschen Banken oder bei Banken in der Eurozone verwahrt, sollte über eine (völlig legale) geopolitische Diversifikation nachdenken.
www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de