EZB-Präsident Draghi sandte im Rahmen der üblichen Pressekonferenz Signale aus, dass die EZB durchaus bereit ist, Korrekturen an ihrer Geldpolitik vorzunehmen. Und dies könnte ggf. schon sehr bald geschehen.
von Postbank Research
Der Rat der Europäischen Zentralbank hat auf seiner heutigen Sitzung seinen geldpolitischen Kurs bestätigt. Der Hauptrefinanzierungssatz blieb auf dem Rekordtief von 0,75%, der Einlagenzinssatz bei 0,0%. Auch hinsichtlich der bestehenden unkonventionellen Maßnahmen gab es keine Änderungen. Ebensowenig wurde über die Einführung neuer Instrumente entschieden.
Allerdings sandte EZB-Präsident Draghi im Rahmen der üblichen Pressekonferenz Signale aus, dass die EZB durchaus bereit ist, Korrekturen an ihrer Geldpolitik vorzunehmen. Und dies könnte ggf. schon sehr bald geschehen. So führte Draghi in seinem Statement aus, dass der EZB-Rat in den kommenden Wochen alle eingehenden Informationen zu wirtschaftlichen und monetären Entwicklungen sehr eng beobachten und deren Einfluss auf den Ausblick für die Preisstabilität bewerten wird. Außergewöhnlich ist an dieser Aussage vor allem die Formulierung "in den kommenden Wochen", was wir dahingehend interpretieren, dass die EZB Gewehr bei Fuß steht, um auf unerwünschte Entwicklungen zu reagieren. Die Formulierung "sehr eng beobachten" wurde dagegen in der Vergangenheit schon öfter verwendet und diente dabei in der Regel der Vorbereitung einer Zinsänderung, zumeist einer Zinserhöhung. Von einer solchen sind wir aber derzeit aufgrund des schwachen wirtschaftlichen Umfeldes und der sinkenden Inflationsrate meilenweit entfernt. Zudem deuten die Ausführungen des EZB-Präsidenten darauf hin, dass sich der EZB-Rat aktuell eher Sorgen über eine zu stark sinkende als eine zu stark steigende Preissteigerungsrate macht. So sieht die EZB die Risiken für ihren Inflationsausblick zwar als weitgehend ausgeglichen an. Hinsichtlich des wirtschaftlichen Ausblicks überwiegen aber die Abwärtsrisiken, was aber dann wiederum Abwärtsrisiken für die Preisentwicklung nach sich ziehen würde.
Die heute verwendeten Formulierungen weisen unseres Erachtens auf eine hohe Bereitschaft der EZB hin, ihre Geldpolitik noch expansiver zu gestalten. Auslöser könnten dabei alle Entwicklungen sein, die den Inflationsausblick nach unten verschieben, also vor allem ein weiterer unerwarteter Rückgang der Inflationsrate selbst, schwache Konjunkturdaten, eine spürbare Aufwertung des Euro oder eine Verschärfung der Staatsschuldenkrise. Ggf. halten wir es sogar für möglich, dass die EZB schon auf ihrer Mai-Sitzung eine nochmalige Absenkung des Hauptrefinanzierungssatzes auf dann 0,5% beschließen wird. Eine weitere Reduzierung des Einlagenzinssatzes, die diesen dann in den negativen Bereich drücken würde, erwarten wir dagegen weiterhin nicht.
Perspektivisch ist darüber hinaus auch eine weitere Ausdehnung des EZB-Instrumentariums nicht ausgeschlossen. Draghi zeigte sich in der Frage-Antwort-Runde der Pressekonferenz sehr besorgt, dass die expansive Geldpolitik in Teilen des Euroraums nicht bei den kleinen und mittleren Unternehmen ankommt. Die EZB macht sich wohl intensive Gedanken, wie sie hier unterstützend eingreifen könnte. Dabei musste Draghi aber einräumen, dass die EZB große Probleme mit einem Ankauf von Forderungen hätte und Maßnahmen der EZB zur Erleichterung des Kreditzugangs wohl auch begleitende Maßnahmen anderer Stellen erfordern würden. Was damit gemeint sein könnte (z.B. Garantien der Staaten, Beteiligung der EIB an den Krediten o.a.) ließ er aber vollkommen offen. Augenscheinlich ist hier aber eine intensive Diskussion im Gange, an der wohl andere Institutionen beteiligt werden müssten, sofern sie es noch nicht sind. Damit dürften eventuelle Entscheidungen in dieser Angelegenheit eher ein Thema für den späteren Jahresverlauf sein als für die kommenden Monate.