Unsere parlamentarische repräsentative Demokratie ist krank. Sie funktioniert einfach nicht, denn sie schafft es nicht, in den vielen wichtigen Sachfragen dem doch genau bekannten Willen des Volkes Geltung zu verschaffen. - Ist die "Wahlmonarchie" eine Alternative?
Von Rolf Ehlers
Unser Steuersystem ist krank, sowohl was die überbordende Fülle seiner Regelungen wie auch die ungerechte und ungleiche Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen angeht. Das weiß jeder. Daher steht ja auch immer wieder die Steuervereinfachung auf dem Programm. Weder innerstaatlich noch im Interesse der Beendigung der asozialen Steuervermeidung durch die Konzerne wird sich aber in unserem verkorksten nur formal demokratischen System etwas ändern.
Krank ist nämlich auch unsere parlamentarische repräsentative Demokratie. Sie funktioniert einfach nicht, denn sie schafft es nicht, in den vielen wichtigen Sachfragen dem doch genau bekannten Willen des Volkes Geltung zu verschaffen. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der verhängnisvolle Einfluss der politischen Parteien. Das Verhältniswahlrecht des Grundgesetzes sorgt dafür, dass Abgeordnete nur über politische Parteien versuchen können, ihre politischen Vorstellungen umzusetzen. Überall in Europa hat sich in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass bei diesem System außer im seltenen Fall der Erringung einer absoluten Mehrheit niemals eine Partei oder ein Spitzenkandidat nach der Wahl das umsetzen können, was sie in ihre Programme geschrieben oder im Wahlkampf versprochen haben. Keiner hat so deutlich den Wahnsinn dieser Situation beschrieben wie Franz Müntefering von der SPD, der meinte, es wäre doch unfair, von den Gewählten zu verlangen, dass sie nach der Wahl das täten, was sie vorher versprochen hatten. So erklärte die SPD vor der Bundestagswahl 2008, dass sie für eine Mehrwertsteuererhöhung nach der Wahl nicht zur Verfügung stünde, während die CDU zwar eine Erhöhung wollte, aber ausdrücklich erklärte, mehr als 2 % e sie durchzuführen. Die Folge ist bekannt: Zusammen erhöhten sie die Mehrwertsteuer um 3 %!
Und heute? Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Steinbrück erklären, dass sie für eine große Koalition nicht zur Verfügung stünden. Auch würden sie keine Regierungsverantwortung übernehmen, wenn nicht endlich die Steuerbelastung der Reichen angehoben würde und der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 € die Stunde eingeführt würde. CDU/CSU erklären, dass sie keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, wenn darin die Steuererhöhung vorgesehen ist. Seehofer toppt das noch mit der Erklärung, dass er in der neuen Regierung nicht mitmache, wenn nicht eine nur Ausländer treffende PKW-Maut auf deutschen Autobahnen eingeführt wird. Und was wird dann gemacht werden? Das System lässt es tatsächlich nicht zu, dass das Volk so regiert wird, wie es die Gewählten vorher versprochen haben. Bei so viel Wortbruch kann es auch kommen, dass sich SPD, Grüne und die Linke besinnen, dass sie doch 9 Mandate mehr im Bundestag haben als CDU und CSU. Wenn ohnehin alle Versprechen gebrochen werden, warum auch nicht die halbherzigen Versprechen von SPD und Grünen, nach der Wahl nicht mit der Linken zu koalieren?! Der wirkliche Wille der Wähler wird so oder so nicht getroffen. Aber flammend Rot, Rot oder Grün gewählt hat, wusste, dass seine bevorzugte Partei für Steinbrück als Kanzler stand. Damit steht er näher am Wählerwillen als Merkel.
Wenn wir bereits eine kontrollierte Wahlmonarchie hätten, zumindest aber das Recht des Volkes, sich jederzeit von den einmal gewählten Vertretern zu trennen und ihnen auch vorzuschreiben, was sie zu tun haben, sähe das ganz anders aus. Es wäre schön wie im Märchen!
Die Abschaffung der Monarchie und die Einführung der Demokratie sind zwei nicht zwingend miteinander verbundene Vorgänge. In konstitutionellen Demokratien wie England, Schweden, den Niederlanden und Belgien gibt es genau dieselbe Art von Beteiligung des Volkes an der Ausübung der politischen Macht wie in der Bundesrepublik Deutschland oder den vielen anderen Staaten, die ihre früher absoluten Monarchen verjagt haben. Die politische Macht in allen diesen Ländern liegt bei den Parlamenten, die auch die Regierung bestimmen. Der von der Blutslinie oder durch Einheirat in sie bestimmte Monarch ist heutzutage nicht mehr der Träger der Staatsgewalt. Er ist wie ein gewählter bürgerlicher Staatspräsident nur mit bescheidener Macht ausgestattet. Ob wir daher heutzutage einen König haben, der nichts zu sagen hat oder einen Vorzeigeonkel wie Gauck als Staatspräsident, ist Jacke wie Hose.
Und doch rege ich an, darüber nachzudenken, die Monarchie wieder einzuführen, dies aber nur als eine Wahlmonarchie. Damit soll unser politisches System ehrlicher, einfacher, überschaubarer, effektiver und insbesondere demokratischer werden.
Der Wahlmonarch wird mit Mehrheit vom Volke gewählt. Es soll beileibe nicht nur ein Repräsentant sein, sondern als alleiniger Inhaber aller Regierungsgewalt während seiner Amtszeit – allerdings mit einer unverzichtbaren Ausnahme - regelmäßig ohne jede fremde Einmischung das Land regieren. Er soll sich vor der Wahl mit konkreten Vorstellungen bewerben. Kommt er durch, darf er an ihre Durchsetzung gehen. Allein der Umstand, dass eine Regierung vom Volke gewählt ist, macht den Staat aber noch nicht zu einer wahren Demokratie, denn die liegt bei richtiger Betrachtung erst vor, wenn das Volk die Mittel hat, in allen ihm wichtigen Fragen seinen Willen durchzusetzen. Das bedeutet, dass das Volk jederzeit den Wahlmonarchen austauschen oder ihm bestimmte Handlungen (Krieg und Frieden, Abgabe staatlicher Kompetenzen an Europa) vorschreiben kann.
Eine solche kontrollierte demokratische Wahlmonarchie wird nicht nur dem Willen und den Interessen des Volkes gerecht. Sie berücksichtigt auch den Willen des Volkes, der von ihm gewählten Regierung auch mit Fug und Recht sein Vertrauen schenken zu dürfen. Eine Chance, zum Wahlmonarchen gekürt zu werden, hätten einige bekannte Politiker aus der Zeit nach 1945 durchaus haben können, Personen mit makelloser Vergangenheit, soliden Überzeugungen und bedeutenden Fähigkeiten wie wohl Adenauer, Brandt und Barzel. Hitler wäre bei einem solchen System niemals in die engere Wahl gekommen, auch nicht Kiesinger, Kohl, Schröder oder Merkel.
Wenn wir in diese Richtung denken könnten, wären natürlich die verfassungsrechtlichen Details gründlich zu bedenken. Vielleicht gäbe es ein vom Volke gewähltes Kontrollgremium, das auch dazu da wäre, Volkentscheiden auf den Weg zu helfen. Ich rechne indessen nicht damit, dass sich unser System am eigenen Schopf aus dem Dreck ziehen wird. Die Alternative ist aber dann da, wenn einmal der große Crash die Volkmassen auf die Barrikaden treibt. “