Ifo-Präsident Sinn befürchtet neue Kapitalflucht aus Italien. Die der Finanzkrise zugrunde liegende Wettbewerbskrise der südlichen Euro-Länder sei völlig ungelöst.
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sieht Anzeichen für eine neue Kapitalflucht aus Italien. „Allein im Dezember sind über das europäische Target-System 13 Milliarden Euro Netto-Überweisungen von Italien ins Ausland getätigt worden. Das sind Überziehungskredite der Banca d’Italia bei der Europäischen Zentralbank“, sagte Sinn unter Berufung auf neueste Zahlen der italienischen Notenbank. „Damit hat sich die italienische Target-Schuld gegenüber dem EZB-System von Juli bis Dezember 2014 um 79 Milliarden Euro auf 209 Milliarden Euro erhöht. Der neue Anstieg ist ein Zeichen für eine neue Kapitalflucht aus Italien, ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Eurokrise nur geschlummert hat und keinesfalls als gelöst gelten kann.“
Die der Finanzkrise zugrunde liegende Wettbewerbskrise der südlichen Euro-Länder sei völlig ungelöst, fügte Sinn hinzu. „Diese Länder sind in der inflationären Kreditblase, die der Euro in seinen vermeintlich guten Jahren ausgelöst hatte, zu teuer geworden und wurden dadurch abhängig von ausländischen Krediten, die entweder von privater Seite, von den Rettungsschirmen oder von der EZB zur Verfügung gestellt wurden.“ Mit Ausnahme Irlands sei es den Krisenländern nicht gelungen, ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit gegen die anderen Euroländer durchgreifend zu verbessern. Speziell Italien habe überhaupt noch keine nennenswerten Reaktionen gezeigt; sein Preisindex habe sich während der Krise so wie der Rest der Eurozone entwickelt.
Die italienische Target-Schuld war vom Sommer 2011 bis zum Sommer 2012, dem Höhepunkt der Eurokrise, auf 289 Milliarden Euro gestiegen, weil die Banca d’Italia den Geschäftsbanken ihres Hoheitsgebiets Sonderkredite aus der nationalen Druckerpresse zur Verfügung gestellt hatte, um einer überbordenden Kapitalflucht zu begegnen. Die Geschäftsbanken verwendeten das von der Banca d’Italia geschaffene Geld vor allem zur Tilgung ihrer privaten Auslandsschulden, d.h. zum Ausgleich der Kapitalflucht seitens ausländischer Anleger. Daneben diente das Geld aber auch als Ersatzfinanzierung für den Netto-Import von Gütern und für den Erwerb ausländischer Vermögenswerte durch Italiener.
Nachdem die EZB im September 2012 die Kapitalmärkte mit ihrem OMT-Programm beruhigt hatte, flossen neue private Kredite nach Italien, und die Banken konnten einen Teil der Sonderkredite bei der Banca d’Italia wieder tilgen. Die Überziehungskredite der italienischen Notenbank (Target-Schuld) gegenüber den anderen Notenbanken des Eurosystems waren deshalb bis zum Juli 2014 auf 130 Milliarden Euro gefallen.