Ein Gerichtsbesuch in Sri Lanka ist aufschlussreich und abenteuerlich. Und immer für eine Überraschung gut.
Sein Recht zu bekommen ist auch in Sri Lanka äußerst schwierig. Gerichtstermin in einer Kleinstadt. Um neun Uhr gehts los: 1 Richter, Zig Verfahren.
Das ist teils lustiger als Gerichts-Operas im deutschen Billig-TV. Vom Strauchdieb über einfache Eigentumsdelikte, Grunstücksangelegenheiten - alles ist dabei. Leider auf singhalesisch. Man versteht kaum was, manchmal ein paar englische Brocken, denn das ceylonesische Rechtssystem fußt auf englischem Recht.
Wer geladen wird, muss kommen. Beginn für alle - wie gesagt neun Uhr. Im Saal etwa 100 Leute. Praktisch: so kriegt jeder alles mit und man verlässt anschließend gut informiert das Gerichtsgebäude. Einzelverhandlungen gibt es nämlich nicht. Die Fälle werden nacheinander abgehandelt und niemand weiß, wann er dran ist. Später kommen geht also nicht, sondern nur geduldiges Warten, dass der eigene Fall möglichst früh aufgerufen wird.
Wer Pech hat, ist der letzte. Das ist dann gegen 13 Uhr und nach einer endlosen Tortur von Bagatelldelikten und Nachbarschaftsstreitigkeiten. Den Gerichtssaal zwischendurch verlassen geht leider nicht - nur Austreten ist erlaubt.
Das geht dann so: Man steht auf, verneigt sich vor dem Richter und geht in Richtung Sanitäranlagen. Kommt man zurück, verneigt man sich wieder und setzt sich brav hin.
Ein andere Besonderheit: Im Gerichtssaal sitzen Frauen und Männer getrennt. Ein Blick über die Anwesenden lässt schon erahnen, worum es manchmal geht. Manche gucken schon ganz schuldig. Was sie allerdings verbrochen haben, erfährt man erst, wenn der Fall dran ist. Dann erhebt sich der Angeklagte irgendwo im Saal und es kann losgehen. Und vor allem: jeder kann, jeder muss zuhören, ob er will oder nicht.
Für ganz harte Fälle prangt hinten noch ein Käfig mit Stahlgittern. Dort werden Schwerstkriminelle hinein geschubst. Flucht unmöglich.
Immer wenn also die Tür am Käfig aufgeht und über eine Spezialtür jemand hereingeschoben wird, wird’s besonders spannend. Denn hier gehts meist um Mord und Totschlag.
Um so erstaunlicher, dass zu fortgeschrittener Stunde ein Weißer in den Käfig stolpert. Was der wohl verbrochen haben mag? Gespanntes Warten im Saal. Dann wird klar: Er hat gar nichts verbrochen. Er hat nur kein Visum mehr.
Es handelte sich offenbar um einen Franzosen, ca. 35 Jahre, der wohl den schönen Traum von einem Leben in den Tropen hatte. Nachdem das Visum abgelaufen war (Touristenvisum 4 Wochen, auf Antrag 3 Monate) verblieb er offenbar im gelobten Land bis er von der Polizei aufgegriffen und ins Gefängnis geschmissen wurden.
Bei Visumüberschreitung kennt die Tropeninsel mittlerweile kein Pardon. Alles ist überwacht. Es gibt Listen von Menschen, die illegal im Land sind und nach denen wird gesucht wie nach Verbrechern.
Wer geschnappt wird, kommt in den Kerker. Und das ist in Sri Lanka die Hölle!
Dann muss ein Richter über das weitere Procedere urteilen. In unserem Fall hat das Opfer leider Pech gehabt, denn es gab wohl irgendein Formfehler oder was ähnliches. Also sah sich der Richter nicht in der Lage, ein weiteres Verfahren einzuleiten.
Bedeutet für den armen Franzosen zurück in den Knast. In ein paar Wochen wird es einen neuen Termin geben. Bis dahin muss er das Grauen in einem Provinzgefängnis überleben.
Hat er später „Glück“, kommt er in ein spezielles Gefangenenlager bei Colombo. Hier muss er so lange ausharren, bis sich irgend jemand bereit erklärt, das Geld für den Rückflug in die Heimat zu zahlen. Ist niemand da, muss meist die Botschaft das Geld vorstrecken.
Dann gehts im Gefangenentransport unter Polizeischutz irgendwann einmal direkt zum Flughafen. Und von da aus gibts kein Zurück mehr. Ausgeträumt der Traum vom laschen Leben in den Tropen…