„Freiheit“ hat gerade Hochkonjunktur, sie ist in aller Munde und jeder will ihr Verteidiger sein bzw. ihr wieder zu Achtung und Geltung verhelfen – allein ist es eine merkwürdige Hochkonjunktur. Denn die allermeisten, die sich ach so freiheitlich gesinnt geben, haben in Wirklichkeit wenig Sinn für Freiheit.
Von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer und Andre Wächter AfD Bayern
Wie sonst sollte man es verstehen, wenn beispielsweise die Europäische Union sich einerseits als Hort der Freiheit darstellt, aber inzwischen nahezu alle Belange ihrer Mitgliedsstaaten, beim richtigen Saatgut angefangen über die elektrische Leitfähigkeit von Waldhonig bis hin zur Größe des Toilettenabflusses, regelt und damit gegen ihr eigenes Gründungsprinzip verstößt und vor allem die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger völlig ignoriert? Ganz abgesehen davon, dass sie den Krisenländern inzwischen sogar den Haushalt diktiert und Parteien, die nicht die „Werte der EU“ teilen, bestrafen möchte.
Auch lassen sich viele Politiker finden, die als (Maul-)Helden der Freiheit auftreten. Beispielsweise der Vorsitzende einer einstmals liberalen Partei: Dieser preist jene als einzig echte Alternative an. Zeitgleich aber unterstützt er den von der EU eingeschlagenen Weg als den einzig wahren, nennt die im Zuge der Eurorettung begangenen Vertragsbrüche richtig und wichtig und verschließt sich dem freiheitlichen Austausch von Argumenten komplett. Sein Umgang mit innerparteilichen Kritikern beweist dies. Die Nazikeule, die er gegen politische Gegner schwingt, erst recht. Echte Liberalität sieht anders aus. Von der Absurdität, dass sogar die Grünen, die autoritäre Verbotspartei schlechthin, der Freiheit Avancen machen, hatten wir an selber Stelle bereits geschrieben.
Ebenso gibt es zahlreiche Bürger, die zwar laut nach Freiheit schreien, aber sobald sie eine Frau mit Kopftuch oder ein Händchen haltendes gleichgeschlechtliches Paar erblicken, ist es mit ihrer Freiheitsliebe nicht mehr allzu weit her. Und da erklärt es sich dann auch, weshalb das Bekenntnis zur Freiheit selten über ein bloßes Lippenbekenntnis hinausgeht: Freiheit ist ungeheuer unbequem.
Sie ist nicht allein deshalb unbequem, weil der freie Bürger sich plötzlich um alle Angelegenheiten, die ihn betreffen, selbst kümmern muss, sondern sie ist den allermeisten vor allem deshalb unbequem und unangenehm, weil sie – so man es denn mit der Freiheit tatsächlich ernst nimmt – auch für den anderen gelten muss und zwar uneingeschränkt. Genau da aber liegt der Hase im Pfeffer begraben: Jeder ist gerne frei, solange diese seine Freiheit nicht auch für alle anderen gilt oder nach Georg Kreisler: „Meine Freiheit ja, deine Freiheit nein.“
Die Grünen sind auf der Parteienebene das beste Beispiel für diese schizophrene Geisteshaltung: Sie halten sich für antiautoritär, aber wer sich beispielsweise für Atomkraft ausspricht, wird gesteinigt (zumindest sinnbildlich). Auf der individuellen Ebene können all jene Pharisäer als Beispiel dienen, die beim Thema EU über den
Verlust ihrer persönlichen Freiheiten echauffieren (oft genug gepaart mit einem entrüsteten Hinweis auf die nicht vorhandene Souveränität der Bundesrepublik) und zeitgleich aber beim Thema Islam Zeter und Mordio rufen, sich die Ausweisung aller Moslems aus „ihrem“ Deutschland wünschen und für diese Glaubensgemeinschaft noch ganz andere Szenarien vor ihrem geistigen Auge haben. Ein Ausdruck von Freiheitsliebe ist dies sicherlich nicht, eher von diffusen Ängsten vor dem Unbekannten, von übersteigertem Nationalismus sowie einem allgemeinen Gefühl, irgendwie zu kurz gekommen zu sein und die Schuld dafür bei jemand anderem als sich selbst abladen zu wollen.
Für die meisten mag es angenehmer sein, selbst zu entscheiden, was man mittags essen möchte oder Kleidung selbst auszuwählen als dies „Mutti“ zu überlassen (auch wenn es etliche gibt, für die das Gegenteil gilt – aber das ist eben deren Freiheit). Deshalb allein aber ist Freiheit noch kein besonders erstrebenswertes Gut. Sie ist es deshalb, weil sie eine notwendige Bedingung für unseren Wohlstand, die Grundlage jeden Fortschritts, das Fundament von Kultur und Zivilisation sowie eine Vorraussetzung für Frieden ist. Nur wer in Freiheit wirtschaften darf, kann Wohlstand schaffen und seinen Mitmenschen das Leben erleichtern oder angenehmer gestalten. Nur wer frei in jede Richtung denken darf, kann Innovation schaffen. Nur in Freiheit kann große Kunst entstehen (und natürlich auch das Gegenteil). Für wirklich freie Bürger gilt Krieg nur als letztes Mittel der Verteidigung, keinesfalls als effektives Mittel um Wohlstand zu mehren. Auch dies ist übrigens ein Merkmal echter, gelebter Freiheit: sie ist selbst regulierend, d.h. freiheitlich gesinnte Menschen geraten untereinander kaum in Konflikte, da sie immer auch die Freiheit des anderen mit einbeziehen und achten.
Deshalb verlieren wir jedes Mal, wenn Freiheit beschnitten wird – egal ob durch die EU oder kleingeistige Mitbürger, einen Teil unseres gesamtgesellschaftlichen Wohlstands. Auch darf nicht vergessen werden, dass Freiheit unteilbar ist. Wirtschaftliche Freiheit ist langfristig ohne politische und persönliche Freiheiten undenkbar. Politische Freiheiten ohne das Recht sich beispielsweise jeder beliebigen Religionsgemeinschaft anschließen zu dürfen, sind schal und leer. Und zur persönlichen Freiheit gehört es eben auch, mit wem auch immer zusammenzuleben. Wer dies nicht versteht und nachvollziehen kann, unterscheidet sich letztlich kaum von jenen Brüssler Technokraten, die ihm so zuwider sind. Mit anderen Worten: Wer die Freiheiten, die er für sich einfordert, anderen nicht zugesteht, ist tatsächlich ein Feind der Freiheit.
Diese Haltung ist leider weit verbreitet – gerade deshalb müssen wir uns immer und immer wieder für jedes einzelne Freiheitsrecht stark machen, auch und gerade dann, wenn man persönlich vielleicht gerade nicht betroffen ist. Ähnlich wie die Wahrheit, die immer wiederholt werden muss, weil der Irrtum stets gepredigt wird, muss auch die Freiheit immer wieder verteidigt werden, weil sie stets und überall bedroht wird – oftmals gerade von jenen, die sie selbstgefällig in ihren Reden führen. Übrigens: Wer den Mut zur Wahrheit fordert, braucht auch die Kraft, selbige zu ertragen, falls die objektive Wahrheit überraschenderweise nicht seiner subjektiven Sicht der Dinge entspricht. Ein freier Mensch trägt diese Kraft in sich und sieht seine Freiheit durch die Freiheit des Anderen bestätigt.