Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer warnt: Billiggeld der EZB bremst Schuldenabbau der Euro-Krisenländer. „Die EZB wird zunehmend zum Ausputzer für die reformresistenten Regierungen.“ - "Europa ist auf dem Weg in die italienische Währungsunion“
Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) schmälert den Reformdruck auf die Regierungen, warnt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Die Erfahrung zeigt, dass viele Regierungen sinkende Zinsen als Aufmunterung verstehen, noch mehr Schulden zu machen und Reformen auf die lange Bank zu schieben“, sagte er gegenüber der WirtschaftsWoche.
Die Senkung des Leitzinses auf ein Rekordtief von 0,05 Prozent durch die EZB und den von ihr angekündigten Ankauf von verbrieften Wertpapieren und Pfandbriefen kommentiert Krämer mit den Worten: „Die EZB wird zunehmend zum Ausputzer für die reformresistenten Regierungen.“
Der Bankenvolkswirt sieht auf die Euro-Zone eine ähnliche Entwicklung zukommen, wie sie Italien in den Siebzigerjahren erlebt hat. Damals sei der Staatshaushalt Italiens mit der Notenpresse finanziert worden. „Ebenso wie damals die Banca d’Italia wird die EZB faktisch von den Finanzministern dominiert, Europa ist auf dem Weg in die italienische Währungsunion“, sagte Krämer. In Italien sei das Haushaltsdefizit zwischen 1970 und 1975 von drei auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen, der Schuldenberg wuchs von 36 Prozent des BIP 1969 auf 56 Prozent im Jahr 1975.
Die Folge, so Krämer, sei eine steile Talfahrt der italienischen Währung gewesen. Es sei jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Frankfurter Währungshüter ebenso wie damals die italienische Zentralbank in großem Stil Staatsanleihen kaufen, warnt der Ökonom. Die jüngsten Beschlüsse der EZB, mit Krediten besicherte Wertpapiere (ABS) und Pfandbriefe zu erwerben, sei nur die „Ouvertüre“ für die ganz große Geldschwemme.