Ein Afghane, der zunächst in der Slowakei Asyl beantragte und dann nach Deutschland flüchtete sollte zurückgeschoben werden und geriet deshalb in Abschiebehaft. Nun klagt er in Deutschland auf Schadenersatz wegen der Haft. Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende...
von Christian Hiß
Der BGH verhandelte am Donnerstag den Fall eines Afghanen, der dem deutschen Staat und seinen Steuerzahlern ziemlich undankbar ist. Oder wie ein Beobachter es kommentierte: „Was hier möglich ist, hätte nicht mal Loriot verfilmen können.“
Rechtsanwalt kommentiert: Was hier möglich ist, hätte nicht mal Loriot verfilmen können.
Im Oktober 2013 reist der Afghane zusammen mit Frau und Kind in Deutschland ein; anfangs noch ehrlich gibt er zu, dass er bereits in der Slowakei Asyl beantragt hat, aber doch viel lieber in Deutschland bleiben würde. Da jedoch die Slowakei – dort hat der Afghane Asyl beantragt – für ihn zuständig ist, ordnet die Bundespolizei umgehend seine Zurückführung dorthin an. Damit diese auch passiert und der Afghane sich nicht entzieht, wird zusätzlich Haft beantragt. Das Amtsgericht Passau bzw. später das Amtsgericht München ordnet die Haft an.
Naive Justiz: Aus der Haft entlassen, weil keine Fluchtgefahr – kaum draußen flüchtet er
Bayern verfügt zu dieser Zeit jedoch nicht über ein gesondertes Abschiebegefängnis, weshalb der Afghane in die Abschiebeabteilung eines „normalen Gefängnisses“, der JVA Stadelheim, kommt. Dort bleibt er vier Wochen bis das Landgericht München I die Haft zunächst unter Auflagen aussetzt und später die Haft „als rechtswidrig“ ganz verwirft, weil – und das wird später wichtig – keine Anhaltspunkte vorlägen, dass der Afghane sich einer Zurückführung in die Slowakei entziehen würde.
Auf freiem Fuße strebt der Afghane vor dem Verwaltungsgericht die Aufhebung seiner Zurückführungsanordnung an und scheitert. Weil Deutschland aber so viel reicher schöner ist als die Slowakei, entzieht sich der Afghane seiner Zurückführung dorthin dann doch und flüchtet sich ins „Kirchenasyl“. Er versteckt sich vor den deutschen Behörden so lange bis die 6-Monats-Frist nach Dublin II abgelaufen ist und die Slowakei ihn nicht mehr zurücknehmen muss.
Nach 6 Monaten Verstecken im Kirchenasyl: Anerkennung als Flüchtling, weil Fristablauf
Für seine ehrliche Unehrlichkeit wird der Afghane schlussendlich auch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Er lebt nun in Deutschland und wird hier auch entsprechend alimentiert. Deutschland: 0 – Afghane: 2.
Anerkennung als Flüchtling ist nicht genug, nun klagt er auf Schadenersatz für die „zu Unrecht“ erlittene Haft
Doch das ist nicht genug. Der Afghane klagt nun gegen die Haft, immerhin ist er schlussendlich als Flüchtling anerkannt worden und die Haftanstalt war auch keine Abschiebehaftanstalt, sondern ein Gefängnis für Straffällige. Er klagt auf mindestens 100 €/Hafttag, insgesamt 2.700 € will er vom Freistaat Bayern und der Bundesrepublik Deutschland.
Das Oberlandesgericht München sah sich an die Feststellung der Kollegen vom Landgericht, die damals die Haft „als rechtswidrig“ aufhoben, gebunden und gewährte dem Afghanen 810 € (= 30 €/Hafttag). Sowohl der Afghane als auch der Freistaat Bayern legten hiergegen Revision ein. Bayern hat erhebliche Zweifel an der Bindungswirkung der landgerichtlichen Feststellung, dass die Haft „rechtswidrig“ gewesen sei – immerhin seien auch die späteren Entwicklungen, also dass der Afghane sich dann doch seiner Zurückschiebung entzog, zu berücksichtigen.
Auch der III. Zivilsenat des BGH hat Bauchschmerzen mit der Anerkennung einer solchen „Bindungswirkung“, hieß es am Donnerstag vom Senatsvorsitzenden.
Der Anwalt des klagenden Afghanen, Peter Wassermann, vertritt dagegen den Standpunkt, dass an der Rechtskraft der Rechtswidrigkeits-Feststellung nicht gerüttelt werden dürfe – nicht einmal vom BGH.