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Alice Weidel, die Medien und das AfD Bashing

Die Konzentration der Medien auf Alice Weidel, die so gar nicht in des Schema des tumben und dummen AfD-Politikers passen will - erfolgreich, jung, ansehnlich - ist schon auffällig.
 
Von Thomas Heck
Bald ist es gottlob vorbei. Der Wahlkampf, der in die Geschichte eingehen wird als eine Zäsur. In der die Medien die Maske fallengelassen haben und eine häßliche Fratze offenbarten, die man in Deutschland eigentlich nicht mehr erwartet hätte. Die häßliche Fratze der Diktatur, der Intoleranz. 
 
Spätestens als den Redaktionen in den öffentlich-rechtlichen Medien klar wurde, dass die AfD keine Eintagsfliege sein würde, sie nicht nur aus Nazis bestand und dem Establishment durchaus gefährlich werden könnte, gab es den Paradigmenwechsel, der sich in den letzten Wochen manifestierte. Spätestens als klar wurde, dass nach den massenhaften sexuellen Mißbrauch der Silvesternacht von Köln, nach islamistischen Anschlägen, nach hunderten von Messerattacken auf die Bürger, der AfD mit sachlichen Argumenten nicht mehr beizukommen war, wurde in den Redaktionen auf persönliche Angriffe umgeschaltet. 
 
Die Konzentration auf Alice Weidel, die so gar nicht in des Schema des tumben und dummen AfD-Politikers passen will, erfolgreich, jung, ansehnlich und lesbisch, die den linken Journalisten und dem politischen Gegner in den etablierten Parteien die Zornesröte ins Gesicht trieb, ist schon auffällig. Zuerst die EMail-Affäre, eine recht plumpe Fälschung, von den Redaktionen begierig aufgegriffen, jetzt die angebliche Schwarzbeschäftigung eines syrischen Flüchtlings. Die vermeintliche Unangreifbarkeit einer Lesbe in der AfD muss den verantwortlichen Redakteuren Schaum vor dem Mund getrieben haben. Den Reichstag will man nicht unbedingt anzünden, aber es bedarf schon eines Ereignisses von der Größenordnung eines Reichstagsbrands, um Alice Weidel den medialen Todesstoß versetzen zu können. Deutschland im Jahre 2017.
 
 
 
Wie die Journaille, so auch die Politiker. AfD-Bashing vom Widerlichsten gab es bei Maischberger im Ersten. Weiß der Wähler noch, welche Partei wofür steht? Darüber stritten die Gäste bei Sandra Maischberger. CDU-Politiker Ole von Beust überraschte: Er würde unter einer Bedingung über eine Koalition mit der AfD nachdenken, schreibt die WELT heute.
 
Anderthalb Wochen vor der Bundestagswahl wissen viele Bürger noch immer nicht, bei wem sie ihr Kreuzchen machen werden, falls sie sich überhaupt ins Wahllokal bequemen. Ein Grund, der von dieser sonst eher heterogenen Gruppe gerne für ihr Zaudern angeführt wird, ist die mangelnde Unterscheidbarkeit der Parteien.
 
Tatsächlich gibt es reichlich Beispiele für die Verschiebung oder gar Auflösung traditioneller Grenzen in der politischen Landschaft. Es reicht, sich vor Augen zu führen, dass die CDU heute für eine großzügige Flüchtlingspolitik, die Energiewende, den Mindestlohn, die Ehe für alle oder auch die Abschaffung der Wehrpflicht steht.
 
„Das Unglück von Martin Schulz ist, dass die Leute sozusagen Frau Merkel als sozialdemokratische Kanzlerin überzeugender finden als ihn“, spöttelte der „Spiegel“-Kolumnist Jan Fleischhauer bei Sandra Maischberger. Die Moderatorin hatte ihre Gäste, darunter auch der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust (CDU), und SPD-Vize Ralf Stegner, zum Thema „Der verwirrte Wähler: Welche Partei steht noch wofür?“ eingeladen.
 
Fleischhauer widersprach seinen Mitdiskutanten insofern, als dass er die weit verbreitete politische Orientierungslosigkeit weniger als allgemeine Entwicklung, sondern vielmehr als Charakteristikum der aktuellen Situation beschrieb.
 
Die Besonderheit bei dieser Wahl bestehe darin, dass mit der CDU eine Partei, „die – vereinfacht gesagt – immer auf der rechten Seite des Grabens stand, rübergemacht hat auf die linke Seite“. „Alle, die jetzt noch auf der anderen Seite übrig sind, und das sind relativ viele in Deutschland, wissen ja gar nicht, wen sie wählen sollen“, so der Journalist und Buchautor, der im harmonisch verlaufenen TV-Duell zwischen der christdemokratischen Amtsinhaberin und ihrem SPD-Herausforderer einen Beleg für seine Thesen sah.
 
Das Duell sei seiner Meinung nach nicht genug darauf ausgerichtet gewesen, „Unterschiede herauszuarbeiten, die es übrigens auch wirklich gibt“, kritisierte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner und fügte hinzu: „Frau Merkel ist keine sozialdemokratische Kanzlerin, sondern sie ist vielleicht eine, die gelegentlich pseudo-sozialdemokratische Dinge von sich gibt.“
 
Ein differenzierteres Bild der Lage zeichnete der Wahlforscher Michael Kunert. „Ich glaube, so verwirrt ist der Wähler gar nicht“, stellte der Chef von Infratest dimap fest. Die Menschen wüssten ganz genau, dass beispielsweise zwischen AfD und Grünen in der Flüchtlingsfrage oder zwischen der Linken und der FDP in der Sozial- und Wirtschaftspolitik Welten lägen. Auch Kunert verortete das Hauptproblem bei den Großkoalitionären. Die Zusammenarbeit zwischen Union und SPD während der aktuellen Legislaturperiode mache es „sehr viel schwieriger, die Unterschiede aufzuzeigen“.
 
Das könnte auch teilweise erklären, warum sich nach den Zahlen Kunerts, die sich auf einen Zeitpunkt zweieinhalb Wochen vor dem Wahltermin beziehen, 2013 „nur“ 54 Prozent noch nicht auf eine Partei festgelegt hatten, während es in diesem Jahr 60 Prozent sind. Die SPD bestritt damals ihren Wahlkampf aus der Opposition heraus.
 
Während der Diskussion wurden allerdings auch Beispiele für Widersprüche oder die Übernahme konkurrierender Positionen herausgearbeitet, die die kleineren Parteien betreffen, so etwa in der Krim-Frage bei der FDP oder der Einwanderungspolitik bei der Linken. Ganz so leicht lässt sich auch bei ihnen nicht mehr unterscheiden.
 
Was dabei gerne übersehen wird: Es handelt sich um einen selbstverstärkenden Effekt. Nähern sich die Parteien in ihren Positionen einander an, wird die Gruppe derer, die sich mit einer Entscheidung schwertun, größer. Je mehr Unentschlossene es allerdings gibt, umso mehr sind die Parteien für einen Erfolg darauf angewiesen, sich nach diesem schwer zu erfassenden Teil der Wählerschaft auszurichten, dessen Haltung manchmal kaum von Desinteresse zu unterscheiden ist.
 
Das lagerübergreifende Ergebnis sind dann oft wohlfeile Wahlversprechen, Debatten über mögliche Koalitionen und Standpunkte, die, gestützt auf Umfragen, die sogenannte Mitte ansprechen sollen. An den Rändern wissen die Wähler schließlich weit im Voraus, wen sie präferieren. Die Parteien, so die Wahrnehmung, sind am Ende nicht weniger ratlos als die Menschen, auf deren Stimmen sie bis zuletzt hoffen.
 
Er habe den Eindruck, dass in letzter Zeit immer nur über Umfrageergebnisse und Koalitionsmöglichkeiten, also auf einer „Metaebene“ diskutiert werde, bemängelte auch Johannes B. Kerner. Man solle stattdessen besser über einzelne Themen reden, damit die Wähler „aus einer bestimmten Überzeugung heraus“ eine Entscheidung fällen könnten.
 
Der TV-Moderator zeigte sich außerdem bestürzt und wütend bei dem Gedanken, dass angesichts des abzusehenden Erfolgs der AfD „mit allergrößter Wahrscheinlichkeit im nächsten deutschen Bundestag, der ja im Reichstagsgebäude tagt, Nazis oder Menschen mit Nazi-Ideologie am Mikrofon stehen.“ „Die Partei finde ich sehr befremdlich, um es mal vorsichtig zu sagen. Die Wähler kann ich nicht alle per se verdammen, weil ich glaube und hoffe, dass man viele von denen zurückholen kann“, urteilte Kerner.
 
Im Laufe der Sendung wurde immer wieder deutlich, welche Funktion und Bedeutung die AfD längst in der politischen Diskussion hat. Von den Parteien, die sicher in den Bundestag einziehen werden oder sich berechtigte Hoffnungen darauf machen dürfen, ist sie neben der Linken die einzige, die überhaupt noch zur Abgrenzung und als Feindbild taugt.
 
Laut einem Bericht der „Bild“-Zeitung gibt es bereits vor der Bundestagswahl Diskussionen darüber, wo die Abgeordneten der AfD-Fraktion im Bundestag künftig sitzen werden. Auch um den Vorsitz im Haushaltsausschuss wird gestritten. 
 
Er finde es „unter demokratischen Gesichtspunkten mal nicht ganz schlecht“, wenn der Teil der Bevölkerung, der „mit der Flüchtlingspolitik grundsätzlich Schwierigkeiten“ habe, im Parlament vertreten sei, sagte Jan Fleischhauer, der sich auch zu den radikalen Tendenzen und Mitgliedern in der Partei äußerte: „Es sind nicht alle Nazis, aber sie haben eine Reihe von Nazis dabei. Und interessanterweise, wenn man Nazi ist in der AfD, passiert einem auch nichts.“
 
Der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, erkannte darin sogar den Hauptunterschied zur ebenfalls rechtspopulistischen Schill-Partei, mit der er seinerzeit auf Landesebene koalierte. „Die waren rechts und rechtspopulistisch, aber keine Nazis, und sie hatten auch keine Nazis in ihren Reihen“, so von Beust rückblickend. Auf die Frage der Moderatorin, ob auch eine Zusammenarbeit mit der Alternative für Deutschland infrage käme, antwortete von Beust folgerichtig: „Wenn die AfD keine Nazis in ihren Reihen hätte, müsste man darüber nachdenken.“
 
Es blieb nicht das einzige überraschende Statement des Christdemokraten, der sich überzeugt zeigte, dass die wahlentscheidende Frage sei, ob die Menschen wollten, dass alles so bleibt, wie es ist. „Das Problem ist, die Glaubwürdigkeit von Politikern im Wahlkampf ist gleich null“ erläuterte von Beust. Deshalb würden die Bürger jenseits von konkreten Themen entscheiden, wem sie ihre Stimme geben.
 
Offensichtlich herrscht nicht nur bei den Wählern, sondern auch in der Politik große Ernüchterung über die jeweils andere Gruppe. Für die Moderatorin des Politmagazins „Panorama“ geht die „Entfremdung zwischen Parteien, Berufspolitikern und Bürgern“ inzwischen so weit, dass es naheliegt, sich Gedanken über einen Systemwechsel zu machen. Der NDR-Journalistin schwebte als Vorbild das antike Athen vor, wo teilweise per Los über Ämter oder Ratsmitgliedschaften entschieden wurde.
 
Da sie diesen Vorschlag erst zum Ende der Sendung anbrachte, blieb leider keine Zeit mehr, ihn in der Talkrunde zu diskutieren, deren Mitglieder, wie sich kaum überhören ließ, zu einem großen Teil per Du waren. Damit krankte die Sendung selbst an dem Symptom, das sie kritisch beleuchten wollte. Denn es ist eben nicht nur die Nähe unter den Parteien, sondern auch jene zwischen Politikern und Meinungsmachern, die der Demokratie auf Dauer schadet und bei den Rechtspopulisten für Aufwind sorgt.
 
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