Am 18. Juni 2025 sprach Bundeskanzler Friedrich Merz vor Hunderten führenden Vertretern beim Bundesverband der Deutschen Industrie.
Von Meinrad Müller
Nur wenige Tage zuvor, am 13. Juni, war Jensen Huang, der Gründer und CEO des US-Chipherstellers Nvidia, nach Deutschland gereist, um mit Merz über die technologische Zukunft Europas zu sprechen. Nvidia beschäftigt rund 30.000 Mitarbeiter und erzielt einen Jahresumsatz von etwa 60 Milliarden Dollar. Huang, mit einem Privatvermögen von 120 Milliarden Dollar, spielt in der Liga von Elon Musk.
Merz berichtete auf der BDI-Bühne von diesem Gespräch und zitierte Huang lächelnd mit den Worten: „Ihr Deutschen könnt keine Software. Ihr seid gut im Maschinenbau, baut lieber GIGA-Factories für unsere Rechenzentren.“ Dies war eine Beleidigung. Es kommt noch schlimmer.
Nach diesem Vorwurf von Huang hätte Merz erzählen können, dass er heftig widersprochen habe. Doch davon wusste er nicht zu berichten. Offenbar nahm er Huangs spöttische Beleidigung der deutschen Softwareindustrie einfach hin, ohne sein Land zu verteidigen.
Dabei hätte eine sachliche, aber bestimmte Antwort genügt. Etwa: „Herr Huang, mit Verlaub: SAP ist weltweit die Nummer vier im Softwarebereich. Deutschland liefert nicht nur Maschinen, wir liefern auch die Software, der sie steuert.“
Doch nichts davon kam aus Merzens Mund. Stand er auf dem Schlauch oder war das Windows in seinem Kopf gerade abgestürzt? Und genau dieses Schweigen ist das Problem. Er verteidigte Deutschland nicht und ließ die hämische Kritik einfach im Raum stehen.
Was Huang als GIGA-Factories bezeichnet, sind große Rechenzentren – also Industriehallen aus Stahl, fast so banal wie ein Parkhaus. Das könnten die Deutschen: schrauben, zimmern und schweißen, wie vor 150 Jahren. Damit rückte uns Deutsche Huang in die industrielle Steinzeit. Doch deutsche Software übersah er – genau wie Merz.
Und die kommt aus Deutschland. SAP mit Sitz in Walldorf ist der größte Softwarekonzern Europas, weltweit auf Platz vier. Über 110.000 Beschäftigte, Kunden in 180 Ländern, 31 Milliarden Euro Jahresumsatz. Dazu Firmen wie Celonis, TeamViewer, Software AG, DATEV, Nemetschek, Paessler oder N26 – allesamt digitale Schwergewichte mit globaler Bedeutung.
Ein Kanzler, der schweigt, wenn das Land verteidigt werden muss
Mehr als 1,3 Millionen Menschen arbeiten in Deutschlands Software- und IT-Wirtschaft. Die Branche erzeugt mehr Wertschöpfung als der Maschinenbau. Doch Merz stellt sich nicht vor sie. Er schweigt und lässt zu, dass ein einflussreicher US-CEO öffentlich ein falsches Bild von Deutschland verbreitet.
Was Huang ins Mikrofon sagt, schlägt Wellen. In den USA. In Asien. Auf den internationalen Kapitalmärkten. Investoren, Analysten, Technologiekonzerne – sie alle nehmen zur Kenntnis, was der deutsche Kanzler nicht korrigierte. Die Folge ist ein verzerrter Eindruck von Rückständigkeit. Und dieser Eindruck kostet Vertrauen. Vertrauen in Deutschland als Innovationsstandort.
Wer sich so verhält, beschämt den eigenen Standort
Friedrich Merz hätte dem entgegenhalten können. Eine einfache Replik hätte gereicht, um Stärke zu zeigen und Rückgrat. Stattdessen ließ er ein ganzes Land im Regen stehen. Wer so auftritt, riskiert nicht nur den Ruf, sondern auch die Substanz. Denn wenn Deutschland international als digitaler Nachzügler erscheint, ziehen sich Investoren zurück. Gründer weichen aus. Wertschöpfung wandert ab. Am Ende trifft das nicht nur die Industrie, sondern auch die Mittelschicht, die Arbeitsplätze und die Sparer.
Deutschland kann Software. Die Frage ist: Kann Merz Kanzler?
Die Aussage Huangs war mehr als ein Missverständnis. Sie war ein Frontalangriff gegen die IT-Welt Deutschlands. Merz hätte sie parieren müssen. Stattdessen ließ er sie stehen – und ließ damit Zweifel zu, ob er das Land, das er führen will, überhaupt kennt. Doch Friedrich Merz hat vor Hunderten Industriellen bewiesen, dass er Deutschlands digitale Leistungsträger weder kennt noch verteidigt. Anleger sollten sich fragen, warum ein solcher Kanzler Investitionen beschädigt.
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