Der Schuldenschnitt für Griechenland wird den deutschen Steuerzahler mindestens 25 Milliarden Euro kosten. Es könnte aber noch deutlich mehr werden, wenn auch der Staat seine Griechen-Kredite entsprechend abschreiben muss. - Ifo: Weitere Schuldenschnitte nötig. - Neue Hilfsgelder frei gegeben.
Der Schuldenverzicht in Sachen Griechenland durch Banken und Versicherungen bleibt zu einem großen Teil am Steuerzahler hängen. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Wirtschaftsforschung (IfW) und der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Die Welt“ könnten Belastungen von mehr als 25 Milliarden Euro allein bei deutschen Steuerzahlern landen. Ein Verzicht auf einen Teil der staatlichen Hilfskredite für Griechenland, der nach Informationen dieser Zeitung ebenfalls diskutiert wird, würde diese Belastungen weiter in die Höhe treiben.
Hintergrund: Inzwischen liegt annähernd die Hälfte der griechischen Staatsanleihen faktisch bei staatlichen Institutionen – sie halten an die 120 der insgesamt 250 Milliarden an Anleihen. 15 Milliarden Euro entfallen alleine auf die deutschen Landesbanken, die teilverstaatlichte Commerzbank sowie die Abwicklungsanstalten für Hypo Real Estate und WestLB, für die die öffentliche Hand geradestehen muss. In Deutschland ist praktisch nur die Deutsche Bank weitgehend "Griechen-Bonds-frei". Doch der deutsche Bankenprimus brauchte bisher auch keine staatlich Unterstützung.
Weitere 55 Milliarden an griechischen Anleihen liegen nach „Welt“-Informationen bei den Notenbanken des Euro-Systems. Sie stammen teils aus dem offiziellen Aufkaufprogramm der EZB, teils aus der gewöhnlichen Geldanlage der Zentralbanken. Führende Notenbanker gehen davon aus, dass sich die EZB einem Schuldenschnitt für Athen nicht wird entziehen können.
Zwar profitiert die Zentralbank davon, dass sie die Anleihen größtenteils deutlich unter ihrem Nominalwert gekauft hat. Ein Schuldenschnitt würde aber nach Berechnungen des IfW dennoch Belastungen von 26,4 Milliarden Euro mit sich bringen, von denen gemäß dem deutschen Anteil an der EZB 7,1 Milliarden auf Deutschland entfallen würden. „Die Verluste eines griechischen Schuldenschnitts belaufen sich für den deutschen Steuerzahler allein dadurch auf bis zu 17 Milliarden Euro“, sagte Jens Boysen-Hogrefe, Finanzexperte des IfW, der Zeitung.
Dazu dürften jedoch weitere Kosten für die Rekapitalisierung griechischer Banken kommen. Sie hätten nach Berechnungen der „Welt“ Verluste von 34,5 Milliarden Euro zu tragen, die wohl vom Euro-Rettungsfonds ausgeglichen werden müssten, um die Banken vor dem Kollaps zu bewahren. Auf Deutschland kämen so rechnerisch weitere Belastungen von 9,3 Milliarden Euro zu. Ob die griechischen Institute dieses Geld jemals zurückzahlen könnten, ist mehr als fraglich. Unter dem Strich hätte die „private Gläubigerbeteiligung“ den deutschen Steuerzahler in diesem Szenario rund 26 Milliarden Euro gekostet.
Weitere Schulden-Schnitte nötig
Die Berechnungen könnte aber bereits auch heute schon reine Makulatur sein, denn nach Ansicht von Experten wird dieser Schuldenschnitt nicht der letzte für Athen sein. Griechenland wird nach Ansicht des Ifo-Instituts trotz des Schuldenschnitts noch lange Zeit am Tropf ausländischer Geldgeber hängen. "Ich denke nicht, dass Griechenland ohne weitere Maßnahmen aus der Schuldenfalle herauskommt", sagte Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir werden wahrscheinlich noch weiter Rettungspakete oder sogar Schuldenschnitte bei den öffentlichen Geldgebern sehen."
Grünes Licht für die nächsten 130 Milliarden
Nach dem Schuldenschnitt Griechenlands geben die Euro-Finanzminister nun grünes Licht für neue Milliarden-Hilfen. Ein Teilbetrag aus dem neuen Hilfspaket im Gesamtvolumen von 130 Milliarden Euro könne wie geplant ausgezahlt werden, heißt es in einem Entwurf für eine Erklärung von Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker, die Reuters am Freitag vorlag. Demnach wird Juncker am Freitag erklären, dass Griechenland alle Bedingungen erfüllt hat, die als Gegenleistung verlangt worden seien.
Bankenverband: Keine Rettung
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, sieht trotz der 85,8-prozentigen Beteiligung privater Gläubiger am Schuldenschnitt das zahlungsunfähige Griechenland dennoch als nicht gerettet. Auch wenn man sich über das solidarische Verhalten des privaten Sektors freuen könne, müsse man einsehen, "dass damit letztendlich Griechenland auch wieder nur Zeit erkauft" habe, beklagte Kemmer im Deutschlandfunk.