Bereits 1983 fällte das Landgericht Hamburg ein vernichtendes Urteil, dem bis heute Versicherungen nicht widersprochen haben: Eine Kapital-Lebensversicherung zur Altersvorsorge ist legaler Betrug. Bei einer Inflation kann die gesetzlich garantierte Rendite sehr schnell zu einem Verlustgeschäft werden.
von Matthias Weik und Marc Friedrich
Jetzt haben auch die Mainstreammedien die Problematik der Lebensversicherungen aufgegriffen. Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums warnt laut der Zeitung „Die Welt“ vor existenzbedrohenden Problemen bei zahlreichen Lebensversicherern. Folglich könnte der Garantiezins künftig noch stärker fallen.[i] Laut Financial Times geht die Bundesregierung davon aus, dass bei länger anhaltenden Niedrigzinsen ab 2018 20 Prozent der Anbieter die Anforderungen der Aufsicht an Rückstellungen und Eigenmittel nicht mehr erfüllen könnten.[ii]
Historisch niedrige Zinsen und eine galoppierende Staatsverschuldung bringen die populärste Kapitalanlage Deutschlands ins Wanken. Ferner beginnt die steigende Inflation vermehrt die zumeist spärliche Rendite immer weiter aufzufressen. Der Spiegel bringt es knallhart auf den Punkt: Die Politik hilft vor allem den Konzernen - und lässt die Kunden im Stich.[iii]
Bei einer Kapitallebensversicherung sind weder die genauen Investments noch deren Gewichtung bekannt. Meistens handelt es sich bei dieser Versicherung um einen langfristigen Sparvertrag mit einer oftmals erbärmlichen Rendite. Bereits 1983 fällte das Landgericht Hamburg ein vernichtendes Urteil (AZ: 74 047 / 83, LG Hamburg), dem bis heute Versicherungen nicht widersprochen haben. Der Kern des Urteils bildet der Satz: Eine Kapital-Lebensversicherung zur Altersvorsorge ist legaler Betrug. Bei einer Inflation kann die gesetzlich garantierte Rendite sehr schnell zu einem Verlustgeschäft werden. Kippen mehrere Versicherer, wird die Auffanggesellschaft „Protektor“ voraussichtlich schnell an ihre Grenzen stoßen. Das Auflösen dieser Anlage vor Ablauf ist mit empfindlichen finanziellen Verlusten verbunden. Laut „Zeit“ werden zwölf Prozent der Verträge pro Jahr bereits in der Anfangsphase wieder gekündigt, 75 Prozent aller 30-jährigen Rentenverträge werden vorzeitig aufgelöst, weniger als 50 Prozent der 20-jährigen Verträge laufen bis zum Vertragsende durch und selbst von den zwölfjährigen wird ein Drittel gekündigt.[iv]
Nicht zu verkennen ist, dass es sich bei der Garantieverzinsung nicht um die Mindestrendite handelt, die man bei Lebens- und Rentenversicherungen erzielt. Bei dem Garantiezins handelt es sich ohne Zweifel um Augenwischerei. Denn der Garantiezins bezieht sich immer nur auf den sogenannten Sparanteil. Der tatsächliche Zins, bezogen auf den Gesamtbeitrag, ist deutlich niedriger als der ausgewiesene Garantiezins.[v] Wie viel übrig bleibt, hängt auch an den Kosten für Abschluss und Verwaltung. Bei Direktversicherern fallen sieben bis acht Prozent der Beiträge dafür an, bei vertriebstarken Gesellschaften zwölf bis 15 Prozent. Die teuersten Gesellschaften verlangen bis zu 18 Prozent.[vi] Vom 1. Januar 2012 an erhalten Neukunden einer Lebensversicherung nur noch 1,75 Prozent Zinsen, bislang waren es 2,25 Prozent. Laut Wirtschaftswoche ist eine Lebensversicherung keine geeignete Langfrist-Anlage mehr. Man sollte sich nicht von der Aussicht auf höhere, aber nicht garantierte Überschüsse über das fest zugesagte Mindestniveau hinaus blenden lassen. Bei über kurze Zeit laufenden Verträgen reicht der garantierte Mindestzins nicht einmal, um die Kosten auszugleichen. Der Versicherte macht dann bereits ohne Inflation Verluste.[vii]
Wer seine private Altersvorsorge ausschließlich auf der Lebensversicherung aufbaut, hat laut Handelsblatt ein erhebliches Anleiherisiko im Depot. Dieses abzubauen ist äußerst schwierig. Wer kündigt, erleidet in den ersten Vertragsjahren – in denen die Versicherer die Abschluss- und Vertriebskosten berechnen – hohe Verluste. Verbraucherschützer haben gerichtlich erhebliche Verbesserungen im Sinne des Verbrauchers erzielt. „Aus seit 2008 abgeschlossenen Verträgen müssen Kunden mindestens 85 Prozent ihrer eingezahlten Beiträge zurückbekommen. Bei älteren Policen liegt die Mindestquote bei 50 Prozent.“[viii] Laut Handelsblatt können wegen der Anlagepolitik der Gesellschaften ungeahnte Risiken entstehen. Eine Ausfallwelle am Anleihemarkt hätte verheerende Konsequenzen.[ix]
Laut der Finanzaufsicht BaFin waren die Lebensversicherer im Herbst 2011 mit rund neun Prozent ihres gesamten Anlagekapitals in Staats- und Unternehmensanleihen der sogenannten PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien) investiert. Ein Teil dieser Investitionen hat die Versicherer bereits eine Menge Geld gekostet. Im zweiten Quartal 2011 musste der Allianz-Konzern im Zuge der griechischen Umschuldung 644 Millionen Euro auf griechische Staatsanleihen abschreiben, die Münchener Rück rund 700 Millionen Euro.[x] Laut der Zeitung „die Welt“ fehlen den Lebensversicherungen und deren Kunden wegen der Niedrigzinsen für die vergangenen 15 Jahre 170 Mrd. Euro in der Kasse.[xi]
Steigende Inflation ist aufgrund der niedrigen Verzinsung und der mangelnden Flexibilität ebenfalls Gift für die Versicherten. Bei einer Verrentung ist die von den Versicherern angenommene Lebenserwartung exorbitant hoch – und die monatliche Rente deshalb niedrig. Eine zwanzig Jahre alte Frau soll laut Sterbetafel aktuell im Schnitt sage und schreibe hundert Jahre alt werden.[xii] Eine Lebensversicherung ist eine sehr langfristige Anlage über mehrere Jahrzehnte. Aktuell wagen die Chefvolkswirte der großen Banken und Versicherungen keine Prognose für das kommende Jahr.
Alternative Anlage von Versicherungsgeldern
Das Handelsblatt berichtete als erstes von der etwas anderen Anlage von Kundengeldern bei der Hamburg Mannheimer. Diese hat sich zur Motivation ihrer besten Vertreter etwas Besonderes ausgedacht – eine Sex-Party in Budapest im schicken Gellert Bad. 20 Prostituierte und Himmelbetten standen den Vertretern zur freien Verfügung. Laut Handelsblatt erschien sogar ein begeisterter Bericht im Vertriebspartner-Magazin „HMI Profil“ „Unglaublich, was man in der HMI wirklich erleben kann“, habe es dort geheißen. „Aus welchem Blickwinkel auch immer man diese Mega-Fete betrachtete, ein Mordsspaß war es auf alle Fälle.“[xiii],[xiv]
Laut Spiegel wurde die Rechnung in Höhe von 83 000 Euro von der Steuer abgesetzt. „Die Rechnung ist in voller Höhe als Betriebsausgabe behandelt worden“, zitiert die Zeitung einen Ergo-Sprecher. „Nach unseren Prüfungen war das steuerrechtlich in Ordnung.“ Man werde aber prüfen, ob man „eine andere Beurteilung vornehmen kann“.[xv]
[i] Welt; Existenznot, Geheimpapier warnt vor Krise der Lebensversicherer; 8.11.2012
[ii] Financial Times; Lebensversicherungen: Versicherern droht Kündigungswelle; 11.11.2012
[iii] SPIEGELONLINE; Niedrige Zinsen, unzufriedene Kunden Der schleichende Tod der Lebensversicherung; 11.11.2012
[iv] Lebensversicherungen; Gebt mir mein Geld zurück; 5.09.2010
[v] FocusONLINE; Finanzwissen; Voll daneben; 01.07.2009
[vi] Handelsblatt; Garantiezins sinkt; Was Lebensversicherer jetzt wissen müssen; 23.02.2011
[vii] Wirtschaftswoche; Altersvorsorge; adieu Lebensversicherung; 23.02.2011
[viii] Handelsblatt; Risiko-Anlagen: Wie Staatsschulden in Europa unsere Altersvorsorge bedrohen; 13.12.2010
[ix] Handelsblatt; Garantiezins sinkt; Was Lebensversicherer jetzt wissen müssen; 23.02.2011
[x] Manager Magazin; Versicherer; Assekuranz im Anlagenotstand; 10.08.2011
[xi] WELTONLINE; map-Report; Bei den Lebensversicherungen herrscht Zinsnotstand; 31.08.2011
[xii] Handelsblatt; Garantiezins sinkt; Was Lebensversicherer jetzt wissen müssen; 23.02.2011
[xiii] Handelsblatt; „Mordsspaß“: Rauschende Sex-Party bei der Ergo-Versicherung; 18.05.2011
[xiv] SPIEGELONLINE; Treffen in Budapest; Versicherung lud Vertreter zu Sex-Party; 18.05.2011
[xv] SPIEGELONLINE; Hamburg-Mannheimer; Versicherung setzte Sex-Party von der Steuer ab; 29.05.2011