Lieber Investor,
Anleger lieben die Klarheit und in der Regel ist es auch klar, zu welcher Anlageform eine Anlage zählt. Mischformen erfreuen sich nicht der größten Beliebtheit. Das ist bei den Mischfonds, die ebenso in Aktien wie festverzinsliche Anleihen investieren können, nicht anders als bei unübersichtlichen Konglomeraten.
Weil diese oftmals in so vielen verschieden Branchen aktiv sind, dass die Anleger nicht genau wissen, welchem Sektor sie das Unternehmen zuordnen sollen, stellen sich leicht Unsicherheiten bei der Bewertung und beim Vergleich mit Unternehmen aus ähnlichen Branchen ein. Aus diesem Grund werden die Aktien der entsprechenden Firmen an der Börse häufig mit einem Abschlag gehandelt.
Auch beim Gold sind sich Trader und Investoren nicht einig, als was sie es sehen und interpretieren wollen. Für die kurzfristig agierenden Trader ist es eher eine Währung, die sie genauso handeln, wie sie beim Euro, US-Dollar oder Britischen Pfund auf steigende oder fallende Kurse setzen.
Andere sehen das Gold wie einen Rohstoff. Auch diese Sichtweise ist verständlich, wird doch das Gold nicht viel anders aus dem Boden geholt als die meisten Rohstoffe. Im Erz ist nicht nur Gold allein enthalten, sondern auch Silber, Kupfer, Blei und andere Industriemetalle. Die Isolierung des Goldes und seine Reinigung erinnern ebenfalls sehr stark an die Aufarbeitung von Rohstoffen. Warum das Gold also nicht ebenso sehen wie Kupfer, Nickel und Zink?
Krisen- und Inflationsschutz oder doch nur Rohstoff mit Währungscharakter?
Die zunächst vorgestellten Sichtweisen von Gold als einem etwas teureren Rohstoff oder als älteste Währung der Welt gehen an all jenen stromlinienförmig vorbei, die das gelbe Metall einfach nur besitzen wollen, weil sie unabhängig von der Frage, was das Gold denn nun sei, wissen, dass dieses schwer zu definierende Etwas noch zu keiner Zeit vollkommen wertlos geworden ist.
Ihr Ziel ist nicht der kurzfristige Gewinn, der aus einem schnellen Handel mit Gold erzielt wird. Auch die langfristige Wertsteigerung eines klassischen Investments steht hier nicht im Vordergrund. So ungewöhnlich es auf den ersten Blick auch klingen mag: Es reicht zu wissen, dass das Gold physisch als Barren oder Münze noch da ist und immer noch einen Wert hat.
Zum Glück muss man sich als Goldanleger nicht zwischen den drei Sichtweisen in der Weise entscheiden, dass man die eine für richtig hält und die anderen ausschließt. Man ist auch nicht schizophren, wenn man das Gold mal mehr als Währung, mal wie einen Rohstoff sieht und besonders in Krisenzeiten seine Schutzwirkung über alles andere stellt.
Das Gold ist so vielseitig und so wandelbar, dass es alle drei Formen annehmen kann. Für die Schmuckindustrie ist es einer der Ausgangsrohstoffe, für die Notenbanken ist es eine Währung, die keinem Staat allein gehört, und für alle ist es in Krisenzeiten ein unabdingbarer Schutz.
Ein Multifunktionstalent
Gold verhält sich so, wie das Umfeld sich verhält, in dem es sich bewegt. In den Jahren nach der Jahrtausendwende entwickelte sich sein Preis weitgehend parallel zu den steigenden Rohstoffpreisen. Weil das Gold in vielen wichtigen Rohstoffindizes enthalten ist, muss es zwangsläufig von den Fonds und ETFs bzw. ETCs gekauft werden, die diese Indizes nachbilden.
In der Finanzkrise wurde das Gold zunächst wie alle anderen Rohstoffe abverkauft. Es wechselte aber sehr schnell seine Rolle und wurde anschließend primär als Währung und als Krisenschutz gesehen. Wenn Nordkoreas Kim Jong Un wieder mit Raketen um sich schießt, greift auch heute noch diese Funktion, wie Ende August deutlich am stark steigenden Goldpreis zu sehen war.
Nicht jeder Funktionswechsel muss mit steigenden Preisen einhergehen. Das kann so sein, muss aber nicht. Gold wechselt seine Funktion und damit auch seinen Preis je nach Umfeld. Das verstehen viele Anleger nicht. Sie sehen Gold immer nur in einer einzigen Funktion und wundern sich, wenn sich der Preis schlagartig ändert, weil eine andere Funktion ins Spiel gebracht wird.
Dieser beständige und vor allem leicht mögliche Wechsel zwischen den verschiedenen Ebenen unterscheidet das Gold von allen anderen Anlagen. Keine andere Währung, kein anderer Rohstoff, mit Abstrichen vielleicht noch das Silber, sind in der Lage, diese beständigen Wechsel zu vollziehen.
Was die Bitcoin-Fans übersehen, wenn die ihre Coins als das neue Gold anpreisen
An vielen Stellen werden die Kryptowährungen heute als das neue Gold gesehen. Wir erinnern uns kaum mehr an die Zeit, als eine Unze Gold noch mehr gekostet hat als ein Bitcoin. Dabei liegen diese Zeiten nicht einmal 300 Tage zurück. Und es ist wahr, die aktuelle Euphorie scheint klar für die Bitcoins und gegen das Gold zu sprechen.
Macht es also Sinn die „Zeichen der Zeit“ zu erkennen und all sein Gold und Silber in Bitcoins zu tauschen, bevor diese noch teurer, noch unerschwinglicher werden? Bevor Sie zum Tausch schreiten, sollten Sie bedenken, dass die Bitcoins nur eine Währung sind und deshalb immer auch eine Währung bleiben werden.
Man kann dagegen einwenden, dass sie derzeit nicht nur eine Währung, sondern auch ein gewinnbringendes Investment sind. Mit keiner anderen Anlageform war 2017 so schnell so viel Geld zu verdienen. Dabei ist 2017 noch gar nicht zu Ende. Aber egal wo der Bitcoinpreis am Jahresende stehen wird und egal, wie lange dieser Hype noch andauern wird, wir sollten uns immer daran erinnern, dass Tulpenzwiebeln 1637 in den Niederlanden auch ein stark nachgefragtes Investment waren. Heute sieht man sie auch zwischen Den Haag und Arnheim nur als Knollen, aus denen schön anzusehende Blumen hervorgehen.
Damit kommt die Risikoseite eines jeden Investments zur Sprache. Gold bringt bekanntlich keine Zinsen – so wie jede andere Währung auch. Zinsen gibt es nur dann, wenn mit der Anlage ein gewisses Risiko verbunden ist, also wenn wir unser Geld zur Bank bringen und dieser einen Kredit einräumen, oder an der Börse eine Aktie oder einen Fonds kaufen und sei es ein „sicherer“ Geldmarktfonds.
Die Frage, was die Bitcoins sind, ist noch nicht abschließend geklärt
Auch die Bitcoins haben als Geld und Währung keine natürliche Rendite. Sie stehen im Wettbewerb mit anderen Währungen – nicht nur mit anderen Kryptowährungen – und weisen deshalb ihnen gegenüber Schwankungen auf. Diese können mal größer, mal kleiner ausfallen, wie wir das auch vom Euro-US-Dollar-Wechselkurs kennen. Dieser stand ganz am Anfang mal unter der Parität, später dann bei 1,60 und pendelt heute wieder im Bereich um 1,20.
Ähnliches ist auch für die Bitcoins zu erwarten. Wenn sie eine Währung sind, werden sich die Preise, die ja nichts anderes als Wechselkurse zum Dollar oder Euro sind, früher oder später wieder zurückbilden. Sind die Bitcoins aber nur ein von allen gehyptes Investment wie seinerzeit die Tulpenzwiebeln oder die Aktien des Neuen Marktes, dann werden sie auch entsprechend enden.
Dieses Risiko ist den meisten Bitcoin-Anlegern nicht bewusst. Auch das Gold hat Anfang der 1980 Jahre schon einmal ähnliche Zeiten erlebt. Auf den Boom folgte der Absturz. Das war beim Gold nicht anders als bei den Tulpenzwiebeln. Was das Gold und die Zwiebeln von den aktuellen Bitcoins unterscheidet, ist ihr Wert an sich. Das Gold ist immer noch ein Rohstoff und Tulpen sind Pflanzen, die viele gerne in ihrem Garten blühen sehen. Beide haben deshalb immer ihren Preis. Auch wenn dieser bei den Tulpen heute massiv unter den Exzessen von 1637 liegt.
Ob das bei den Bitcoins auch der Fall sein wir, ob auch sie selbst dann noch einen Wert haben werden, wenn die ganze Aufregung vorbei ist, das muss sich erst noch zeigen.
Ein Beitrag von Dr. Bernd Heim.