Man muss nicht gläubig sein, weder religiös noch politisch. Trotzdem kann eine kleine Idee manchmal erstaunlich viel bewirken.
Von Meinrad Müller
Ich denke zurück an mein erstes Büro, ein Ladenbüro, im Jahr 1980 in München. Acht Meter Schaufensterfront zur Straße. Rechts die Sparkasse, links der Bäcker, der schon früh die warmen Semmeln ins Regal legte. Ich war jung und voller Tatkraft.
In dieser Zeit machte ich auch Urlaub in den USA. Und dort fiel mir etwas auf, das mir bis heute im Kopf geblieben ist. In vielen Eingangsbereichen von Banken, Reisebüros, Immobilienbüros oder Autohäusern hing ganz selbstverständlich das Porträt des Präsidenten an der Wand. Jimmy Carter und dann Ronald Reagan. Niemand verneigte sich davor, so wie man es aus Nordkorea kennt. Man drückte einfach seinen Patriotismus aus. Vielleicht noch die US-Flagge daneben.
In Deutschland gab es diese Tradition nie
Hier hängen am Eingang eher Kalender oder das Firmenlogo. Oder ein Foto des Firmengründers. Doch unser eigener Bundespräsident tauchte in kaum einem Eingangsbereich auf. Und genau deshalb kam mir 1981 der Gedanke, ein offizielles Porträt unseres Präsidenten Carstens zu bestellen. Das geht heute noch leichter, als man denkt. Das Bundespräsidialamt verschickt diese Hochglanzfotos in den Größen A4 und A3 kostenlos.
Ich ließ das Hochglanzportrait in Größe A 3 an der Rezeption anbringen lassen, schön gerahmt. Deutsche Eiche matt. Und immer wieder ergaben sich auch deswegen angeregte Gespräche mit Besuchern. Heute empfehle ich etwas anderes als Standort. Das Schaufenster oder ein Fenster. Ein schöner Aufsteller. Links ein Kaktus, rechts ein Kaktus. Oder zwei Kerzen, je nach Stimmung. Wichtig ist, dass jeder von der Straße aus den allseits hochverehrten Herrn Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier sofort sieht, bevor er die Türklinke anfasst. Es wirkt ruhig und gleichzeitig entschlossen wie ein Ritter gegen das Böse. Das lauert ja überall.
Und es hat einen angenehmen Nebeneffekt
Wer in der Nacht Scheiben einwerfen wollte oder diese mit Farbe verzieren, überlegt zweimal. Ein Porträt des Bundespräsidenten, nachts mit LED angestrahlt, zeigt, dass der Inhaber zu den Guten gehört. Zumindest offiziell. Und genau das genügt schon, um den Zorn eines Steinewerfers zu dämpfen. Der für uns heilige Frank-Walter wird deshalb zusätzlich zum Schutzpatron für die eigene Firma. Eine kleine Versicherung gegen die Schicksalsschläge unseres heute so „vielfältigen“ Lebens.
Man liest dieser Tage auch davon, dass CDU-Außenminister Wadepuhl eine ähnliche Idee hatte. Er will sein eigenes Porträt in allen deutschen Vertretungen aufhängen lassen. 154 Botschaften, 50 Generalkonsulate, 7 Konsulate. Er will schon zu Lebzeiten unvergänglich wirken. Deshalb ist ein schlichtes Präsidentenfoto im Schaufenster einer Firma auch eine gute Idee.
Das Aufhängen erfolgt freiwillig und schützt wenigstens die Scheiben.
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