Euroland droht die japanische Krankheit. Harvard-Ökonom Kotz warnt vor langandauernder Rezession und rät den Abbau der Staatsverschuldung langsamer anzugehen.
Die Wirtschaftspolitik Eurolands setzt zu stark auf Haushaltskonsolidierung und zu wenig auf Wachstum und riskiert damit eine langandauernde Rezession. „Japanische Verhältnisse sind mittelfristig leider die wahrscheinlichen Aussichten“, sagte Harvard-Ökonom Hans-Helmut Kotz der Berliner Zeitung. Das ehemalige Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank fürchtet eine auf Jahre hinaus stagnierende und schwächelnde Wirtschaft, auch im bisherigen Euro-Musterland Deutschland. „Wenn eine Sache ins Rutschen kommt, rutscht sie in aller Regel eine unangenehme Weile weiter“ so Kotz. Deshalb lägen im Euroraum die Risiken auf der Abwärtsseite.
Japan ist Anfang der 1990er Jahre, nachdem die dortige Immobilienpreisblase geplatzt war, in eine Rezession hineingefallen. Dieser sei seitens der Politik nicht energisch genug entgegengetreten worden, moniert Kotz. So „entstand ein lähmendes Zusammenspiel aus finanzieller Verletzlichkeit, wirtschaftlicher Unsicherheit und Stagnation“. Deshalb sinke dort seit knapp zwei Jahrzehnten das Preisniveau.
Die realen Zinsen, also nach Abzug der Inflation beziehungsweise im Falle Japans unter Hinzurechnung der Deflation, blieben damit so hoch, dass Investitionen unattraktiv und Zuwarten attraktiv würde. Mit unsicheren Absatzaussichten jedoch wüchsen die Risiken für die Unternehmen und damit ihre Rentabilitätsanforderungen – und deshalb die Neigung zum weiteren Warten, erklärt Kotz den Grund für die japanische Krankheit. Deshalb dümpele die japanische Wirtschaft seit fast einem Vierteljahrhundert vor sich hin. Dieser Teufelskreis drohe Euroland, wenn die Politik weiterhin dem raschen Schuldenabbau oberste Priorität einräume.
Deshalb fordert der Ökonomie-Professor eine langsamere Gangart bei der Haushaltskonsolidierung. „Eine vorsichtigere Politik würde die Medizin ab jetzt anders dosieren, würde – wie in den USA – das Wachstum nicht außer Acht lassen.“ Das sei auch im Interesse Deutschlands. Denn die Rückwirkungen des ambitiösen Konsolidierens auf die deutsche Wirtschaft seien offenkundig. Immerhin gingen gut 40 Prozent der deutschen Ausfuhr nach Euroland.