ARD und SWR löschten Reinhard Meys „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“. Der Sänger, der den Frieden besang, wird aus dem Programm gestrichen. Mit ihm verschwindet ein Stück deutsches Gewissen aus dem Äther.
Von Meinrad Müller
Reinhard Mey, geboren 1942 mitten im Krieg, steht sinnbildlich für das andere, das bessere Deutschland. Ein Mann mit Gitarre, der leise singt und sich doch Panzern entgegenstellt. Sein Friedenslied „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“ war über Jahrzehnte ein fester Bestandteil der beliebten SWR-Hörerhitparade, in der die Menschen jedes Jahr ihre Lieblingslieder aus allen Jahrzehnten wählten, von den 60ern bis heute. Es war eine kleine, heitere Tradition und plötzlich ist das Lied verschwunden, gestrichen, weil es „zu kontrovers“ sei.
Die Friedensstimme wird zum Störgeräusch
Ein Lied, das den Krieg in Frage stellt, wird heute von den Kriegstreibern offenbar als Provokation empfunden. In Wahrheit klingt das nach Zensur durch die Hintertür. Wer den Frieden singt, der stört das Marschtempo.
Und damit sind wir beim Kern: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird längst nicht mehr von Journalisten geführt, sondern von politischen Kommissaren. Die Formate, die Töne, selbst die Melodien folgen dem Kurs der gerade herrschenden Politik. An diesem kleinen Beispiel verrät sich die Macht, wenn sie brachial zeigt, dass sie bis in die letzten Winkel der Kultur hineinreicht, selbst in eine Hörerhitparade, die einmal ein Stück Volksnähe war.
Das Volk soll nur noch hören, was passt
Was nicht in den Kram passt, wird aussortiert. Der Hörer darf zwar wählen, aber nur zwischen genehmigten Liedern. Es ist wie in einem Gasthaus, in dem man „freie Auswahl“ hat, solange man das Menü der Regierung bestellt.
Das erinnert an Zeiten, in denen der Begriff Feindsender verwendet wurde. Wer damals im Volksradio eine andere Stimme hören wollte, drehte heimlich am Knopf im Wissen, dass er dafür schwer bestraft werden konnte. Heute riskiert man keine Zuchthausstrafe mehr, doch der Geist ist wieder derselbe. Das, was wir zu hören bekommen, soll „gesäubert und rein“ sein, frei von allem, was als falsches Gedankengut gilt.
Und wer heute glaubt, der Sendersuchlauf am Radio sei nur ein harmloses Symbol, der irrt. Denn wenn die Politik schon an unseren Radioknöpfen drehen kann, dann kann sie auch an größeren Stellschrauben drehen: daran, was wir sagen dürfen, was wir denken sollen, wie wir arbeiten, wie wir Energie nutzen und was wir unter „wir schaffen das“ zu erdulden haben. Der Radiodrehknopf steht damit sinnbildlich für die Hebelwirkung der demokratisch herrschenden Klasse, die längst gelernt hat, Meinungsvielfalt zu steuern, ohne dass es nach Zwang aussieht.
Die Gitarre gegen die Macht
Reinhard Mey steht mit seiner Gitarre sinnbildlich vor den Panzern einer politischen Maschinerie, die selbst den Frieden verdächtig findet. Das ist keine Satire, sondern bittere Realität. Ein Lied wird entfernt, weil es nicht in den Zeitgeist passt, in jenen Zeitgeist, der Aufrüstung als „Verantwortung“ verkauft und Pazifismus als Schwäche.
Dabei war der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nie, die Regierungslinie zu begleiten, sondern sie kritisch zu beleuchten. Doch heute scheint man lieber mitzumarschieren und nennt das dann Haltung.
Das Schweigen der Presse
Der größere Skandal ist das Schweigen darüber. Keine Debatte, keine Entschuldigung, kein Bewusstsein dafür, dass Kultur immer Opposition braucht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zum Werkzeug geworden, bezahlt von Bürgern, die sich nun fragen dürfen, ob sie nicht längst wieder das finanzieren, was sie schon einmal hatten: einen Volksempfänger, nur in moderner Verpackung.
Wenn ein Friedenslied gelöscht wird, weil es zu sehr an Frieden erinnert, dann ist das mehr als ein Programmfehler. Es ist ein Geständnis. Ein Eingeständnis, dass der Rundfunk, der sich einst als frei verstand, heute gelenkt ist, von der Politik, die ihn füttert.
Der Sänger mit der Gitarre steht aber noch immer da, im Wind, vor den Panzern der Macht. Und irgendwo zwischen den Frequenzen klingt sein Lied weiter, leise, aber unüberhörbar. Denn das, was man verbieten will, fängt erst dann an, gefährlich zu werden, wenn es wahr ist.
Meinrad Müllers Blog: www.info333.de/p



