Was kann so wichtig sein, dass ein US-Finanzminister nach Sylt und zum EZB-Chef fliegt? Sicher nicht die leeren Worthülsen, welche offiziell verlautbart wurden. Bereiten die Notenbanken einen "Plan B" für den Fall vor, dass die Geldsystemkrise nicht mehr kontrollierbar wird?
von Michael Mross
Am Montag hat sich US-Finanzminister Timothy Geithner auf eigenen Wunsch bei Schäuble eingeladen, um angeblich wichtige Fragen angeblich in Sachen Eurokrise zu besprechen. Anschließend machte er sich auf den Weg, um EZB-Chef Draghi zu treffen. Was will der ungebetene Gast in Europa?
Die Mission galt als "streng vertraulich". Die offiziellen Verlautbarungen klingen geradezu lächerlich - nichts anderes als das übliche Blabla. Eines steht fest: dazu muss kein US-Finanzminister mitten in der Feriensaison ins Flugzeug steigen.
Geithner stand nicht nur in den US-Schlagzeilen wegen Steuerhinterziehung, sondern er war auch lange Zeit Präsident der Federal Reserve Bank von New York. Er war in seiner Funktion Chefaufseher der Großbanken an der Wall Street und übrigens offenbar auch direkt in den Liborskandal verwickelt. Heute muss er sich vorwerfen lassen, warum er damals nicht strenger kontrolliert hat. Aber der Liborskandal ist derzeit nur ein Nebenkriegsschauplatz.
Kaum ein anderer Finanzminister auf der Welt dürfte so tiefe Einblicke ins Geldsystem und dessen Zustand haben wie Timothy Geithner. Und deshalb dürfte das, was mit Schäuble und Draghi besprochen wurde, weit wichtiger sein, als das, was offiziell verlautbarte wurde.
Beobachter in den großen Finanzzentren gehen schon lange davon aus, dass der Brand im Finanzsystem kaum noch zu löschen ist. Es besteht jederzeit die Gefahr, dass ein großer Player den Stecker zieht, mit katastrophalen Folgen. Denn die Krise ist eben keine spezifische Euro-Krise, sondern eine globale Geldsystemkrise, ausgehend von allen westlichen Industriestaaten. Und hier lautet das Todesurteil: Überschuldung.
Man muss nicht Volkswirtschaft studiert haben, um zu wissen, dass eine Überschuldungssituation mit noch mehr Schulden nicht gelöst werden kann. Im Gegenteil: damit verschlimmert sich die Kollapsgefahr, die Fallhöhe steigt, die Folgen werden immer unkalkulierbarer. Was also spricht für eine kontrollierte Abwicklung, bei denen die Notenbanken mit koordiniertem Handeln weiterhin das Zepter in der Hand halten? Das bedeutet Schuldenschnitt und Währungsreform.
Ein wie auch immer gearteter, großer Schuldenschnitt ist auch immer defacto eine Währungsreform. Denn dort, wo auf der einen Seite Schulden vernichtet werden, wird auf der anderen Seite Geld vernichtet. Schon längst reden internationale Geldsystemkenner von einer globalen Währungsreform. Es geht also nicht mehr nur um den Euro. Es geht auch um Dollar und Yen. Denn die Probleme, die beim Euro medienwirksam inszeniert werden, haben praktisch alle Währungen der westlichen Industrienationen gemeinsam - und das macht die Situation so explosiv.
Es kann daher bezweifelt werden, dass Geithner mit Schäuble die übliche "rückt-euer-Geld-raus-Leier" absolvierte. Vielmehr könnten bei dem Treffen grundsätzliche, globale Entwicklungen im Finanzsystem besprochen worden sein. So wichtig eben, dass man sie nur persönlich und unter vier Augen austauschen kann. Auch Politikern und Notenbankern dürfte in der Zwischenzeit aufgefallen sein, dass man mit neuen Billionenschulden das Feuer nicht mehr löschen kann. Das gilt für die Eurozone genau so wie für die USA oder Japan. Der einzige Ausweg aus der Misere kann nur eine Währungsreform sein, und zwar global - nicht nur den Euro betreffend.
So kam Geithner sicher nicht nur als "US-Finanzminister" sondern eher als Abgesandter des Fed. Wenn ein US-Finanzminister in Europa aufkreuzt, dann ist dies sicherlich unauffälliger als wenn Ben Bernanke selbst ins Flugzeug steigt und sich mit Schäuble und Draghi trifft. Die kommenden Wochen dürften also interessant werden.
Ein Kenner der komplexen Sachlage, die eigentlich nur noch als aussichtslos qualifiziert werden kann, meinte in einem vertraulichen Gespräch mit MMnews, dass die Notenbanken schon längst einen "Plan B" in der Schublade haben und der Zuspitzung der Lage nicht tatenlos zusehen. Dieser "Plan B" bedeutet eine globale Währungsreform.



