Laut einem Bericht der Plattform Morning Brew rechnen führende CEOs damit, dass bis zu fünfzig Prozent aller Einstiegsjobs verschwinden werden. Allein in Deutschland sind 5 Millionen Jobs in Gefahr. Es können aber auch mehr sein.
Von Meinrad Müller
Die Künstliche Intelligenz killt Jobs. Und wir – wohlig eingelullt im Wärmebad der sogenannten sozialen Marktwirtschaft – werden dabei am lebendigen Leibe zu Tode gekocht. Das sagt nicht irgendein Verschwörungstheoretiker, sondern die obersten Köpfe der Tech-Industrie selbst. Laut einem Bericht der Plattform Morning Brew rechnen führende CEOs damit, dass bis zu fünfzig Prozent aller Einstiegsjobs verschwinden werden. Ersetzt durch Maschinen, die nicht schlafen, keine Pause brauchen und keinen Mindestlohn kennen. In Deutschland betrifft das bis zu fünf Millionen Menschen. Das ist keine Delle. Das ist ein Strukturbruch. Und der findet nicht irgendwann statt. Er beginnt jetzt. Wer da noch von Transformation faselt, verkennt die Lage: Es handelt sich um die größte ökonomische Ausdünnung der Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg.
Berufsanfänger trifft es zuerst – dann den Mittelstand
Zuerst trifft es die Jungen. Berufseinsteiger, Auszubildende, Bürokräfte, Callcenter-Mitarbeiter, Lagerhelfer. All jene, die sich bislang mit Fleiß, Geduld und Pünktlichkeit irgendwie im System gehalten haben. Ihre Aufgaben – Telefonate annehmen, Mails sortieren, Daten eingeben, Buchungen prüfen – werden künftig durch KI übernommen. Schnell, fehlerfrei, rund um die Uhr. Was gestern als solider Job galt, wird morgen einfach abgeschaltet.
Wer kein Profil, keine Nische, keine Seltenheit mehr darstellt, fliegt raus. Doch es bleibt nicht bei den Einfachen. Auch in Bereichen wie Buchhaltung, Personalwesen, Vertrieb oder sogar im Journalismus ist die Verdrängung längst im Gange. Erste Unternehmen ersetzen ganze Teams durch Software. KI schreibt Texte, analysiert Finanzdaten, erstellt Verträge. Wer denkt, es gehe nur um Hilfsarbeiten, wird bald eines Besseren belehrt.
Kettenreaktion an Umsatzverlusten in DAX- und MDAX-Konzernen
Fünf Millionen Arbeitslose sind nicht nur ein sozialpolitisches Problem. Sie sind eine volkswirtschaftliche Zeitbombe. Denn wer keinen Lohn mehr hat, konsumiert auch nicht. Keine Autos, keine Reisen, keine Küchen, keine Fondsparpläne. Der Binnenkonsum bricht weg – und mit ihm die Geschäftsgrundlage ganzer Branchen. Die Autoindustrie spürt das zuerst, der Einzelhandel gleich danach. Immobilien, Dienstleistungen, Tourismus – alles gerät unter Druck, wenn Millionen plötzlich aufhören zu kaufen. Was heute an der Börse noch als Effizienzgewinn gefeiert wird, kann morgen schon als Umsatzwarnung in den Quartalszahlen stehen. Anleger sollten sich fragen: Wie lange hält ein Geschäftsmodell, dessen Kundengruppe massenhaft ins wirtschaftliche Aus fällt?
Vom Fortschritt zur Verdrängung des Menschen
Die Geschichte kennt viele technologische Umbrüche: die Uhrenindustrie in Glashütte, die Schreibmaschinen von Triumph-Adler, die Kameras von Rollei. Ganze Branchen verschwanden, weil neue Technik billiger, schneller oder präziser war. Doch damals ging es um Produkte. Heute geht es um Menschen. Die Künstliche Intelligenz ersetzt nicht nur Werkzeuge, sie ersetzt den Menschen als Akteur. Als jemand, der einen Platz im System hatte. Heute denken Maschinen, schreiben Maschinen, verhandeln Maschinen. Wer braucht da noch den Menschen, der krank wird, Urlaub macht und Sozialbeiträge kostet? Zum ersten Mal in der Geschichte des Kapitalismus wird nicht mehr nur Arbeit, sondern auch der Arbeiter überflüssig.
Politik verweigert die Realität
Die Reaktion der Politik? Schweigen. Oder schlimmer: Ablenkung. Während Amazon den Kundensupport bereits vollautomatisch betreibt, OpenAI juristische Texte formuliert und McKinsey Trainees durch Algorithmen ersetzt, diskutieren deutsche Minister über Wärmepumpen, Genderformulare und Bahnpreise. Es gibt keinen Notfallplan. Keine Debatte. Kein Eingeständnis, dass ein ökonomisches Erdbeben bevorsteht. Stattdessen: Verwaltungsrituale und Sprachregelungen. Während der Markt sich neu aufstellt, diskutiert die Bundesregierung über Nebensächlichkeiten.
Anleger sollten nicht nur auf Wachstum, sondern auf Substanz achten
Natürlich profitieren manche Aktien kurzfristig von der KI-Euphorie. Wer heute in Tech-Werte investiert, sieht Kursgewinne. Doch was passiert, wenn die große Entlassungswelle durchschlägt? Wenn Millionen Menschen keine Rolle mehr spielen – weder als Arbeitnehmer noch als Konsumenten? Dann kippt das System. Die soziale Absicherung wird unbezahlbar. Die Rentenkassen werden leer. Die Staatsverschuldung steigt. Und mit ihr das politische Risiko. Anleger müssen jetzt umdenken. Nicht jede Innovation ist ein Segen. Und nicht jede Rationalisierung ein Gewinn. Wer an Substanz denkt, muss auch an Gesellschaft denken. Denn selbst die beste Rendite nützt nichts, wenn das Fundament bricht.
Die Künstliche Intelligenz frisst nicht nur Jobs – sie frisst die Substanz der Gesellschaft. Unsere Wirtschaft basiert auf Arbeit, Konsum und Vertrauen. Wenn Millionen Menschen aus dem System fallen, reißt das ein Loch, das keine Maschine stopfen kann. Wer glaubt, es werde schon gutgehen, der irrt. Wer glaubt, es handle sich nur um einen Fortschritt, der versteht nicht, was auf dem Spiel steht. Wir erleben gerade, wie ein Wirtschaftssystem seine eigene Grundlage abschafft. Und niemand hält es auf.