Kaum ist Griechenland erledigt, lodert das Feuer bei der Euro-Schulden-Krise an anderer Stelle wieder auf: Ökonomen erwarten zweites Rettungspaket für Portugal inklusive Schuldenschnitt. Rezession gefährdet Erfolge der Sparpolitik. - Sind die Banken die treibende Kraft?
Experten zweifeln daran, dass Portugal wie geplant im kommenden Jahr an die Kapitalmärkte zurückkehren kann. „Aufgrund der schlechten Konjunktur rechnen wir nicht damit, dass 2013 das notwendige Vertrauen an den Märkten vorhanden sein wird“, sagte Ricardo Santos, Volkswirt der Bank BNP Paribas, der Financial Times Deutschland (Donnerstagausgabe). „Wir gehen davon aus, dass die EU weitere Finanzhilfen bereitstellen muss.“
Die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Währungsfonds wähnt Portugal bislang noch auf Kurs: Obwohl die Wirtschaft in diesem Jahr verstärktem Gegenwind ausgesetzt sei, werde das Defizitziel von 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht, hieß es am Dienstag in dem Bericht der Troika, über deren Mittel sich das Land derzeit refinanziert. Die Verantwortlichen schließen ein zweites Rettungsprogramm wie in Griechenland bisher aus.
Tatsächlich scheint die angepeilte Defizit-Marke für Lissabon in diesem Jahr in Reichweite. Das kleine Euro-Land kann deutliche Erfolge bei der Konsolidierung aufweisen. „Die Portugiesen haben gezeigt, dass es ihnen mit der Konsolidierung ernst ist und haben auch Strukturreformen auf den Weg gebracht", sagte Andreas Scheuerle, Volkswirt der Dekabank, der FTD.
Die Finanzmärkte belohnen diese Erfolge jedoch noch nicht. Im Gegenteil: Der Aufwärtstrend bei Zinsaufschlägen auf portugiesische Staatsanleihen ist nicht gebrochen. „Portugal hat alles richtig gemacht“, sagte Stephen King, Chefvolkswirt der Großbank HSCB. „Sie haben gespart und saniert, die von der EU diktierten Programme durchgeführt und doch sind ihre Aufschläge unglaublich hoch.“
Portugals Schicksal steht und fällt mit dem Vertrauen der Märkte, sprich der Zinsentwicklung der Anleihen. Und so glaubt kaum ein Experte, dass Portugal – so wie es die Troika veranschlagt – bereits Ende 2013 wieder an die freien Finanzmärkte gehen kann, um sich zu refinanzieren. Die Fachleute der Citigroup gehen fest davon aus, dass das Land ein zweites Hilfspaket braucht. „Es dürfte sogar eine Umstrukturierung der Schulden von mindestens 35 Prozent in diesem oder kommenden Jahr notwendig werden“, sagte Jürgen Michels, Eurozonen-Chefökonom der Citigroup der FTD.
Das Hauptproblem: Wegen der schwachen Nachfrage, der Haushaltskonsolidierung und steigender Kreditprobleme droht sich die Rezession zu verschärfen. Nach den in dieser Woche veröffentlichten Stimmungsindikatoren der EU-Kommission ist die konjunkturelle Lage derzeit nahe ihres historischen Tiefs. Der Bausektor steht heute schlechter da als je zuvor. Fachleute rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung 2012 deutlich stärker schrumpfen könnte als von der Troika mit rund minus 3,2 Prozent erwartet. Die Citigroup veranschlagt sogar minus 5,5 Prozent.
Das birgt die Gefahr von Rückschlägen bei der Konsolidierung. „In diesem Jahr werden Sparerfolge schwieriger als 2011“, sagte Scheuerle. Noch scheint das Defizitziel machbar, aber es kann schnell infolge einer schlechteren Konjunktur zu bösen Überraschungen kommen.“
Einige Beobachter glauben, dass die Banken auf eine zweite Rettung Portugals drängen. Sie wollen auf jeden Fall ein zweites Griechenland mit einem tiefen Schuldenschnitt vermeiden, weil viele Banken Europas so eine Maßnahme kaum noch verkraften können.