Die Identität von Satoshi Nakamoto, dem Schöpfer des Bitcoins, ist eines der großen Rätsel der virtuellen Währung. Womöglich heißt es ab jetzt: war. Denn die Newsweek hat einen Artikel veröffentlicht, in dem sie behauptet, Satoshi Nakamoto gefunden zu haben.
Von Christoph Bergmann
Es gab so viele Spekulationen. Ein kryptographischer Experte nach dem anderen, aus beinah allen Teilen der Welt, wurde verdächtigt, Satoshi Nakamoto zu sein, der wie ein Prophet verehrte Gründer des Bitcoins, der von Anfang an bedacht war, niemals zu viel über sich selbst zu verraten und sich bereits Mitte 2010 zurückgezogen hatte. Wer steckt sich hinter dem Pseudonym? Ein Einzelner oder ein Team? Ein Japaner, ein Amerikaner, oder ein Brite, weil Satoshi britische Wendungen verwendet? Jedes Wort des Bitcoin-Whitepapers und jede Zeile Code wurde auf den Kopf gestellt, um Satoshi zu finden.
Die Newsweek hat heute ihre Printausgabe relauncht. Als Titelgeschichte wartet sie damit auf, das Rätsel um die Identität von Satoshi Nakamoto gelüftet zu haben. Sie liefert zwar keinen wirklichen Beweis, schmückt den Artikel aber mit Bildern von Satoshi Nakamoto sowie seinem Haus aus und nennt seinen Wohnort. Satoshi Nakamoto, Besitzer von anscheinend rund einer Million Bitcoin ist also … Dorian S. Nakamoto. Das „S.“ steht für Satoshi. Ernsthaft. Ein Amerikaner japanischer Abstammung, der 64 Jahre alt ist, in San Bernando, einem Vorort von Los Angeles, California, lebt, einen Toyota Corolla fährt und sechs Kinder zur Welt gebracht hat. So einfach ist das also.
Die Reporter haben die Einwohner-Datenbanken der Vereinigten Staaten nach Personen mit dem Namen „Satoshi Nakamoto“ durchsucht. Unter den Treffern schien nur einer in der Lage zu sein, so etwas wie den Bitcoin zu erschaffen: Dorian Satoshi Nakamoto hat einen Abschluss in Physik an der California State Polytechnic University in Pomona und hat sowohl bei großen Firmen der Kommunikationselektronik als auch in der Rüstungsindustrie gearbeitet.
Dorian S. Nakamoto hat ein Faible für Modelleisenbahnen. Die Newsweek-Reporter haben auf diesem Weg einen Kontakt zu ihm hergestellt. Als sie das Thema auf den Bitcoin lenkten, brach Nakamoto die Korrespondenz ab. Danach haben die Reporter seine Verwandten ausgehorcht. Das Bild, das sie von Nakamoto zeichnen, ist das eines etwas seltsamen, genialen Mannes, der viel, diszipliniert und intensiv arbeitet, keinerlei Verständnis für Fehler hat, großen Wert auf Privatsphäre legt, es hasst, Steuern zu zahlen und seine Kinder dazu erzogen hat, selbständig zu sein und sich nicht auf den Staat zu verlassen.
In den letzten Jahren habe Nakamoto gesundheitliche Probleme gehabt, was möglicherweise seinen Rückzug aus der Bitcoin-Szene erklären könnte. Er hatte einen Schlaganfall und Prostata-Krebs. Finanziell schien es bei ihm nicht zum besten bestellt, was die Frage aufwirft, weshalb er nicht längst seinen gigantischen Schatz von einer Million Bitcoins zumindest teilweise zu Geld gemacht hat. Nachdem Nakamoto jede Kommunikation mit den Newsweek-Reportern abgebrochen hatte, fuhren diese zu ihm nach Hause. Als sie eintrafen, verständigte Nakamoto die Polizei. Das einzige, was er den Reportern sagte, war, dass er nicht länger im Bitcoin involviert ist und keinerlei Verbindung mehr dazu habe. Dann entfernten die Polizisten die Journalisten.
Falls dies die Wahrheit ist, ist es verstörend, wie banal sie und wie fahrlässig die Newsweek mit den privaten Daten von jemandem umgeht, der vermutlich Bitcoins im Wert vieler Millionen besitzt. Falls es denn stimmt. Denn einen wirklichen Beweis liefert das Magazin trotz plausibler Indizien nicht, und es mutet merkwürdig an, dass jemand, der so viel Wert auf Privatsphäre und Anonymität legt, unter seinem echten Namen auftritt.