Eine romantisierte Vorstellung von Brüssel hat Joschka Fischer: Er fordert die Aufnahme der Ukrainie in die EU weil die Menschen das wollen. "Sie wollen nach Europa, sie wollen mehr Freiheit, Rechtsstaat und endlich Wohlstand." - Wer dafür die Zeche zahlt, diese Frage beantwortete Fischer nicht.
Ex-Außenminister Joschka Fischer befürchtet eine lang anhaltende Krise um die Ukraine. Es werde "länger" dauern, "als die meisten heute hoffen", sagte Fischer dem SPIEGEL. Russlands Präsident Wladimir Putin "reitet den nationalistischen Tiger", so Fischer. "Kurzfristig kann man damit durchaus Erfolge erzielen. Die Frage ist nur: Wie kommt man von diesem Tiger wieder herunter, ohne selbst gefressen zu werden? Weil Putin das nicht weiß, wird die Krise anhalten."
Sollte Russland der Ukraine im Winter das Gas abdrehen, seien die Europäer gefragt, so Fischer. "Das schulden wir gerade den jungen Menschen in der Ukraine. Sie wollen nach Europa, sie wollen mehr Freiheit, Rechtsstaat und endlich Wohlstand, sie haben sich dafür wochenlang auf den Maidan in Kiew gestellt, und einige von ihnen sind dort gestorben."
Zugleich plädierte Fischer für eine Aufnahme der Ukraine in die EU. "Wenn die Ukraine die postkommunistische Phase hinter sich lässt und sich europäisiert, und dafür sind Menschen auf dem Maidan gestorben, dann wird es schwer werden, sie abzulehnen, genauso wie die Staaten des Balkans", so Fischer. Die Europäer müssten begreifen, "dass es bei der Frage von Neuaufnahmen um ihre strategischen Sicherheitsinteressen geht, nicht nur um einen immer größeren Binnenmarkt für Gurken und Schrauben".