Früher an später zu denken ist eine Redensart, doch in diesem Fall beschreibt sie die Lage punktgenau. Während Brüssel verkündet, künftig kein russisches Gas mehr zu beziehen, laufen im Hintergrund neue Fäden.
Von Meinrad Müller
In Abu Dhabi trafen Ronald Pofalla von der CDU, Matthias Platzeck von der SPD und Martin Hoffmann vom Deutsch Russischen Forum auf Kreml Vertreter wie Gazprom Chef Wiktor Subkow und weitere enge Vertraute. Es war bereits das vierte Treffen.
Erster Kontaktkreis außerhalb Europas
Die Stimmung war gelöst, denn die Deutschen brachten Neuigkeiten mit. Pofalla (CDU) und Hoffmann wollen im Dezember nach Moskau reisen. Ein Gegenbesuch des russischen Kulturbeauftragten Michail Schwydkoi in Deutschland gilt als möglich. Er steht auf keiner Sanktionsliste und kennt viele Unternehmer in Deutschland. Vier Jahre nach Kriegsbeginn öffnet sich damit ein Kanal, der offiziell nicht existieren darf, aber praktisch gebraucht wird.
Wer schickt diese Männer wirklich
Unklar ist, ob diese drei aus eigenem Willen handeln oder ob sie vorgeschickt werden, damit die Bundesregierung nicht im Mittelpunkt steht. Pofalla hat beim Auswärtigen Amt nachgefragt, der Minister hat zugestimmt. Das zeigt, dass diese Kontakte nicht gegen Berlin laufen, sondern neben Berlin. Die Grünen warnen wie immer vor russischem Einfluss. Doch die Wirtschaft braucht neue Absatzmärkte. Sonst fällt sie weiter zurück. Verarmte und Arbeitslose kommen bei der nächsten Wahl sonst womöglich auf andere (blaue) Ideen.
Warum die alten Handelsströme so wichtig sind
Vor dem Krieg lag das jährliche Handelsvolumen zwischen Deutschland und Russland bei fast sechzig Milliarden Euro. Deutschland erhielt Gas und Rohstoffe zu Preisen, die zwei Drittel unter den heutigen Flüssiggasimporten lagen. Nach 2022 durfte kein Gas aus Russland bezogen werden. Gas kam auf die Sanktionsliste und Deutschland verlor damit seinen wichtigsten Kostenvorteil, kein Betrieb blieb verschont. Alle zahlten die höheren Energiepreise. Chemie, Stahl, Glas, Automobil, Maschinenbau und Mittelstand leiden. Die Folgen sieht jeder an steigenden Preisen und schwindender Wettbewerbsfähigkeit, Firmenabwanderung, Insolvenzen.
Der Wiederaufbau der Ukraine als größtes Projekt Europas seit 1945
Der Wiederaufbau der Ukraine wird ein Jahrhundertprojekt. Stromnetze müssen neu geschaffen werden. Leitungen, Straßen, Brücken, Häfen, Wohnraum, Krankenhäuser und Industrieanlagen brauchen einen kompletten Neuaufbau. Hier fließen Milliarden. Hunderttausende Ukrainer, die sich in Deutschland erholt haben, stehen bereit, mitzuarbeiten. Firmen mit frühen Kontakten erhalten rechtzeitig Kenntnis über Ausschreibungen. Dieser Vorsprung entscheidet über Aufträge, Partnerschaften und Gewinne. Für Investoren ist das ein Signal, das man gerne hört.
Signale der Entspannung
Auch amerikanische Vertreter tauschen sich mit Russen und Ukrainern über Schritte in Richtung Entspannung aus. Vieles bewegt sich im Hintergrund ohne Tagesschau. Abu Dhabi wirkt heute wie ein „Jahrmarkt“ für Big Business. Deutsche Ex-Politiker können freier reden, wo Regierungspolitiker hinter vorgehaltener Hand flüstern.
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