Unter dem Strich ist es zum aktuellen Zeitpunkt fraglich, ob die EZB in absehbarer Zeit doch noch eine Leitzinssenkung vornimmt.
von Deutsche Postbank Research
Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins auf ihrer ersten Sitzung des Jahres unverändert gelassen. Er liegt damit weiterhin bei 0,75%, was sowohl unserer Erwartung entsprach als auch der des Marktes. Auch der Spitzenrefinanzierungssatz (1,5%) sowie der Zinssatz für die Einlagenfazilität (0%) blieben erwartungsgemäß unverändert.
Ferner hielt der EZB-Rat an seiner Einschätzung zur Inflationsentwicklung fest. Er erwartet demnach weiterhin, dass die Teuerungsrate im Verlauf von 2013 unter die 2%-Marke fällt. Außerdem hält die EZB die Inflationserwartungen in der Eurozone für fest verankert und die Risiken für den erwarteten Inflationsverlauf für ausgeglichen. Auch an der Einschätzung über den konjunkturellen Verlauf hat sich im Kern nichts geändert. So erwarten die Währungshüter eine im Verlauf des Jahres allmählich besser in Gang kommende Wirtschaft, sie sehen hierfür jedoch nach wie vor Abwärtsrisiken. Dennoch fiel die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung unter dem Strich besser aus als im Vormonat. Denn bezogen auf die Finanzmärkte sahen die Ratsmitglieder seit der letzten Sitzung "erhebliche Verbesserungen". Als Beispiele führte Notenbankpräsident Draghi gesunkene Renditen und CDS-Spreads sowie eine niedrigere Volatilität ins Feld. Die insgesamt positivere Einschätzung im Vergleich zur Dezember-Sitzung fand sich auch in der Aufzählung der Risikofaktoren wieder. Anders als auf der vergangenen Sitzung wurde als möglicher belastender Faktor der Wirtschaft nämlich nicht mehr die hohe Unsicherheit im Zusammenhang mit der Schuldenkrise aufgeführt. Die Formulierung wurde ersetzt durch ein "langsames Umsetzungstempo der Strukturreformen".
Das stärkste Indiz dafür, dass die EZB derzeit offensichtlich nicht an weitere Zinssenkungen denkt, fand sich jedoch in der Frage-Antwort-Runde mit den anwesenden Journalisten. Denn Mario Draghi sagte, dass die geldpolitischen Entscheidungen heute einstimmig gefällt wurden. Auch wurde von keinem der Ratsmitglieder der Wunsch geäußert, die Zinsen weiter zu senken. Dies ist erstaunlich, denn noch auf der Pressekonferenz der letzten Sitzung sprach Draghi von ausgiebigen Diskussionen über den weiteren geldpolitischen Kurs. Dies hatte auf ein sehr breites Meinungsspektrum und eine sehr knappe Entscheidung schließen lassen. Nun scheinen die Verbesserungen auf den Finanzmärkten und die zwischenzeitlich veröffentlichten - und durchaus ermutigenden - Konjunkturdaten die Diskussionen beendet zu haben.
Unter dem Strich ist es damit zum aktuellen Zeitpunkt fraglich, ob die EZB in absehbarer Zeit doch noch eine Leitzinssenkung vornimmt. Die in der Summe etwas optimistischere Einschätzung des EZB-Rates und die demonstrative Einigkeit seiner Mitglieder lassen einen weiteren Senkungsschritt jedenfalls ein bisschen unwahrscheinlicher werden.