Es könnte ein stürmischer Sommer werden. ESMT: französischen und deutschen Banken fehlen insgesamt rund 500 Milliarden Euro an Eigenkapital, um gegen ein neues Auflodern der Finanzkrise ausreichend gewappnet zu sein. Ex-BBK-Chef Weber: Finanzmärkte beachten bestehende Risiken nicht.
Von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer, Andre Wächter
Am vergangenen Mittwoch öffnete das alljährliche Weltwirtschaftsforum seine Pforten und die Wirtschaftseliten (und jene die dafür gehalten werden) strömten nach Davos. Nun mag man von diesem Treffen halten, was man will und tatsächlich darf dem Forum eine gewisse Einseitigkeit bescheinigt werden. Handelt es sich bei seinen Mitgliedern doch um global aufgestellte Unternehmen mit Milliarden Dollarumsätzen, die das Forum nicht ganz selbstlos finanzieren.
Nichtsdestotrotz ist es immer wieder interessant die Zwischentöne und Nebenbemerkungen aufzufangen, die während den Panelsitzungen so fallen. Besonders interessant war dabei eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde an der auch der ehemalige Bundesbankchef und derzeitige Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS, Axel Weber, teilnahm. In der Runde herrscht insgesamt ein vorsichtiger Optimismus vor, dass Europa wieder „zurückgekommen“ sei. Sicherlich wurde die Jugendarbeitslosigkeit als großes Problem in der EU thematisiert und dass insgesamt mehr getan werden müsse, aber insgesamt zeigten sich die meisten Teilnehmer überzeugt, dass die EU auf einem guten Weg sei. Die Hauptursache für die Krise, also die Gemeinschaftswährung selbst, wurde dabei natürlich nicht thematisiert, aber das war auch nicht zu erwarten gewesen. Die Frankfurter Allgemeine schrieb über die Runde etwas arg euphemistisch, dass „die Sorge um Europa“ verflogen sei.
Einzig Axel Weber tanzte mit seinem Eingangsstatement aus der Reihe. Der ehemalige Bundesbankchef zeigte sich nämlich – anders als die FAZ implizierte – äußerst besorgt und warnte, dass die Finanzmärkte die bestehenden Risiken nicht beachten würden. Er nannte deren zwei: Erstens die im Mai anstehenden Wahlen zum EU-Parlament, bei der die Euro-Skeptiker an Gewicht gewinnen könnten, und zum anderen der im Sommer anstehende Stresstest der europäischen Großbanken. Dessen Ergebnisse sollen im November 2014 veröffentlicht werden.
Naturgemäß sehen wir in dem ersten Punkt weniger ein Risiko als viel mehr eine echte (und möglicherweise letzte) Chance für die Europäische Union wieder auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit und der politischen Vernunft zurückzufinden. Beim zweiten Punkt aber hat Weber unsere Zustimmung und wir würden sogar noch weiter gehen als er, denn die Bankenrisiken liegen nicht alleine im Süden und in der Peripherie, vielmehr bedrohen sie auch die beiden „Herzstaaten“ der Union – vor allem Frankreich, aber auch Deutschland.
Dass die Peripherie noch lange nicht aus dem Schneider ist, machte erst diese Woche wieder ein Artikel der Athener Tageszeitung Kathimerini klar. Unter Bezugnahme auf die Prüfungsgesellschaft PwC berichtete die Zeitung, dass die „Non-Performing-Loans (NPL), also Kredite die seit 90 Tagen nicht mehr bedient wurden, in Griechenland bis zum Ende 2014 auf rund 40 Prozent ansteigen werden. Ende 2013 belief sich die Quote auf 35% und damit auf rund 76 Milliarden Euro. Bereits eine Quote von 10 Prozent fauler Kredite in den Büchern zu halten, ist für jede Bank ein existenzbedrohliches Risiko. Auch in den übrigen Krisenstaaten wie Irland, Italien, Spanien oder Portugal liegen die NPLs über dieser kritischen Marke, zum Teil deutlich.
Zudem stellte die European School of Management and Technology (ESMT) in einer Studie jüngst fest, dass den französischen und deutschen Banken insgesamt rund 500 Milliarden Euro an Eigenkapital fehlen, um gegen ein neues Auflodern der Finanzkrise ausreichend gewappnet zu sein. Die Untersuchung beinhaltete dabei noch nicht einmal alle Banken, die im Sommer dem Stresstest unterzogen werden. Dass die Deutsche Bank für das vierte Quartal 2013 einen Verlust von über einer Milliarde Euro einfuhr, während das Cost-Income-Ratio (CIR) der Bank im selben Quartal auf 87% stieg, fügt sich in dieses Bild nahtlos ein.
Zurück zu Weber: Dieser erwartet, dass im Zuge des Stresstests eine neue Spekulationswelle gegen schwache Finanzinstitute gestartet werden könnte. Denn die Europäische Union hat im Zuge der Errichtung der Bankenunion klar gemacht, dass man in Zukunft anstatt eines Bail-Outs der Banken einen Bail-In vornehmen wird, also Aktionäre und Großgläubiger zur Kasse bitten will. Entsprechend werden die Anteilseigener versuchen, potentielle Verlierer bereits vor Veröffentlichung der Ergebnisse aus ihren Portfolios auszusortieren. Diese Bewegungen dürften noch verstärkt werden durch spekulativ orientierte Investoren, die versuchen, von dem Ausgang des Stresstest zu profitieren. Gerät aber eine Großbank in den Sog aus Kapitalabzug und Spekulation und in der Folge ins Wanken, dann dürfte auch die Staatsschuldenkrise wieder virulent werden, so Webers weitere Überlegung. Denn private Kapitalgeber wird ein solches Institut dann schwerlich finden und somit blieben am Ende eben doch wieder nur die Staaten oder die Europäische Zentralbank, die ein solches Institut retten könnten. Der ESM, obwohl inzwischen ausgestattet mit einer Bankenlizenz und der Erlaubnis nicht nur Staaten, sondern eben auch Banken zu stützen, dürfte für die Rettung einer Großbank bei weitem (noch) nicht ausreichend kapitalisiert sein.
Damit wird aber auch klar, weshalb Weber in dem Ausgang der EU-Parlamentswahlen ein solches Risiko sieht: Die Stresstests müssen so ausgestaltet werden, dass die wichtigen (also großen) Banken ihn problemlos bestehen können, zeitgleich aber muss es dabei auch „Opfer“ geben, denn ein Test, den jeder besteht, erscheint unglaubwürdig. Eine starke, echte Opposition im EU-Parlament wird den Brüssler Bürokraten und vor allem der EZB dabei stärker auf die Finger sehen (und gegebenenfalls auch klopfen) als diesen lieb sein dürfte. Somit bleibt es auch nach der Wahl im Mai spannend –nach dem milden (sprich relativ ereignislosen) Winter könnte der Sommer stürmisch werden.