Wegwerfgesellschaft entsteht durch geplanten Verschleiß
Computergesellschaft oder Industriezeitalter - die heutige Zeit wird mit vielen Worten betitelt, die eins gemeinsam haben: Es geht um das Neue und Unbekannte, nicht um die schon längst ausgedienten Stücke. Wegwerfgesellschaft ist einer der Namen, die in aller Munde sind: Die Müllberge werden immer größer, aber trotzdem scheint sich niemand darum zu kümmern, dass sich dies ändert. Statt einen kaputten Computer zu reparieren, wird ein neuer gekauft. Wenn der Handyvertrag nach zwei Jahren verlängert wird, kommt das alte Smartphone in die Tonne, damit Platz für das neue ist. Aber nicht nur bei der Technik ist der Trend des Wegwerfens zu beobachten; Auch Möbel werden mittlerweile nicht mehr für Jahrzehnte, sondern nur noch für einige Jahre gekauft und die Mode ändert sich statt mit den Epochen mit den verschiedenen Jahreszeiten. Supermärkte bieten Menschen so große Verpackungsgrößen an, dass in einem Ein-Personen-Haushalt vieles wieder im Müll landet, da es schlecht geworden ist. Laut reset.org liegt dies daran, dass die Rohstoffe der Erde zurzeit kostengünstig zu fördern sind. Vor einigen Jahrzehnten war dies noch nicht der Fall und Lebensmittel, Verpackungen, Möbel sowie technische Geräte haben einiges an Geld gekostet. Gingen die Geräte in der Zeit kaputt, wurden sie repariert, anstatt weggeworfen. Dieser Trend ist heutzutage wieder zu beobachten, wie Wolfgang Heckl, der Chef des Deutschen Museums in München, im Interview mit der Welt beschreibt: „Aber wir stehen an einer interessanten Zeitenwende. Junge Leute finden es wieder ‚cool‘, einen Schal zu stricken. […] Sie beginnen wieder, Dinge wertzuschätzen.“
Den Wert der Gegenstände begreifen
Nach Heckl fehlt den Menschen heute die Wertschätzung der Dinge in ihrem Umfeld. Sie schmeißen lieber ein altes Handy, den kaputten PC, ein Fahrrad oder auch einen Fön weg, obwohl sich die Geräte reparieren lassen. Sie haben nicht viel im Einkauf gekostet, darum wird der der Aufwand des Reparierens gar nicht erst in Betracht gezogen. Immerhin ist ein Produkt nach einer Sendung auf 3sat auch nur so lange neu, wie kein Nachfolger in der Werbung deklariert wurde. In einer Gesellschaft, in der fast jeder den up-to-date-Gedanken lebt und immer das Neuste vom Neuen haben möchte, ist kein Platz für Produkte, die laut der Werbung schon längst veraltet sind. Es hat allerdings auch etwas mit dem Konsumenten zu tun, dass diese Art der Werbung funktioniert. „Wenn der Kunde wieder bereit ist, für Qualität mehr zu bezahlen, wenn er Dinge einfordert, die sich reparieren lassen, wird die Industrie reagieren“, so Heckl gegenüber der Welt. Es ist also eine Wechselwirkung zwischen Konsument und Hersteller - Die Rolle Letzterer ist aber dennoch groß. Immerhin produzieren die Unternehmen die Produkte und haben somit einen Einfluss auf deren Haltbarkeit und die Möglichkeit des Reparierens. Bauteile, vor allem von Großgeräten wie Waschmaschinen, seien heutzutage laut des Berichts auf 3sat so geplant, dass die Lebensdauer gering, eine Reparatur aber nicht möglich ist. Die Elektronik der Geräte sei in Kunststoff eingegossen, statt eines kaputten Teils muss daher die ganze Baugruppe ausgewechselt werden - ein finanzieller Aufwand, der sich oft nicht lohnt. Dieses Thema fand mittlerweile Beachtung in der Politik, die Grünen haben dazu eine Studie angefertigt mit dem Titel „Geplante Obsoleszenz“.
Absichtliche Verschleißbarkeit
Die geplante Obsoleszenz ist keine neue Erfindung. Laut der Studie entstand sie schon in den 1920er Jahren, in der Automobilindustrie der USA. Henry Ford war damals ein Anhänger der Qualität und langlebigen Produkte - Seine Autos wurden gern gekauft, er besaß einen Marktanteil von über 61%. Dann trat allerdings General Motors auf und produzierte Wagen, die zwar weniger qualitativ hochwertig hergestellt waren, dafür aber eine geschickte Marketingkampagne bekamen. Neu sei besser als Alt, es gehe um das Design das Autos und eine Umbewertung des Geräts vom Fortbewegungsmittel hin zum Lebensstilprodukt. Die Kampagne hatte Erfolg, der Marktanteil Fords sank in wenigen Jahren auf 30%. Dies zeigt, welchen großen Einfluss die Werbung auf das Verhalten der Konsumenten hat. Anstatt weiter auf Qualität und langlebige Produkte zu vertrauen, haben sie eines gewählt, bei dem die Qualität zum Teil vernachlässigt wurde. Diese geplante Verschleißbarkeit hat mittlerweile auch in anderen Industriezweigen Einzug gehalten. Dies hat mit der Marktsättigung zu tun; wenn beispielsweise jeder Haushalt einen Kühlschrank besitzt, der über Jahrzehnte einwandfrei funktioniert, generieren die Hersteller keinen Umsatz. Anders ist dies, wenn die Geräte nach einer gewissen Zeit Verschleißerscheinungen zeigen; in diesem Fall greifen viele Konsumenten zu einem neuen Produkt, anstatt das alte reparieren zu lassen, und generieren so neuen Umsatz für die Unternehmen.
Trotz guter Beratung in Elektronikfachgeschäften fehlt Kunden das Know-How, um geplanten Verschleiß zu bemerken
Geplanter Verschleiß in den Segmenten B2C und B2B
Die Studie der Grünen untersucht außerdem den Einfluss der Obsoleszenz im B2C (Business to Consumer) wie auch im B2B (Business to Business) Bereich. Das Ergebnis ist, dass im Handel mit dem Privatverbraucher die geplante Verschleißbarkeit häufiger auftritt. Der Kunde trifft sich nicht auf Augenhöhe mit dem Hersteller. Er hat in den meisten Fällen nicht das benötigte, technische Know-How, um die Produktionsbedingungen nachvollziehen zu können. Anders sieht dies im Bereich B2B aus: Der Kunde aus dem Businessbereich hat das benötigte Wissen, um mit dem Verkäufer auf Augenhöhe verhandeln zu können. Geplanter Verschleiß findet in dieser Konstellation nur selten statt. Ab und zu kommt es zwar schon zu dieser Vorgehensweise, in den meisten Fällen wissen die Geschäftskunden aber, auf welche Merkmale sie achten müssen, um die Obsoleszenz zu bemerken. Laut der Grünen-Studie ist eine weitere Form der Verschleißbarkeit im Hinblick auf den Bereich B2C das After-Sales-Geschäft mit den sogenannten Disposables. Dies sind Produkte, die austauschbar sind, aber genau deswegen den Verschleiß beinhalten. Druckerpatronen beispielsweise; diese müssen regelmäßig gewechselt werden, sodass der Hersteller damit Gewinn einfahren kann. Selbst im Kaffeesegment gibt es dieses Vorgehen schon: Die Kaffeemaschinen, die mittels Kapseln funktionieren, sind verglichen mit hochwertigen Maschinen günstig. Die Umsatzgenerierung entsteht bei diesen Anbietern durch den Verkauf der Kapseln.
Geplante Gebrauchsdauer
Laut der Studie betiteln die Ingenieure die geplante Verschleißbarkeit als begrenzte Gebrauchsdauer. Bei der Entwicklung von neuen Produkten stehen sie unter einem hohen Termin- und Kostendruck. Dadurch haben sie oft nicht die Möglichkeit, die Qualität zu entwickeln, die sie eigentlich haben wollen - das Motto „Wir bauen nicht für die Ewigkeit“ ist daher in Ingenieurskreisen angekommen, auch wenn diese lieber optimale Produkte mit langer Haltbarkeit liefern würden. Mit dem Umdenken der Generation hin zu Nachhaltigkeit und Qualität, wie dies Heckl angemerkt hat, könnte dies aber bald wieder möglich sein. Immerhin ist der Chef des Deutschen Museums in München der Meinung, dass es den Trend hin zu einer 100% Recyclinggesellschaft schon gibt - und dass es davor eine 50% Reparaturgesellschaft geben wird. Allerdings hat die Verschleißbarkeit und der daraus resultierende Neukauf der Produkte eine Schattenseite, die der Entwicklung im Wege steht: Nur wenige Menschen wissen heutzutage, wie sie etwas reparieren können. Wenn der Laptop oder die Spülmaschine nicht mehr funktioniert, stehen die Konsumenten vor der Frage, einen Techniker zu rufen, der für relativ viel Geld das Gerät repariert, oder gleich in ein neues Produkt zu investieren. Immerhin sind die Geräte mittlerweile so günstig, dass sich eine Reparatur oft nicht lohnt - außer, der Heimwerker macht es selbst.
Reparatur-Selbsthilfegruppen in deutschen Großstädten
Bild: In Repair-Cafés helfen Experten beispielsweise bei der Computer-Reparatur
Das handwerkliche Geschick, das sonst vom Vater an den Sohn weiter gegeben wurde, fehlt heutzutage vielen. Sie sahen keinen Sinn darin, zu lernen, wie etwas zu reparieren ist, da die Möglichkeit des Neukaufens besteht. Mittlerweile denken viele Menschen aber wieder um. Sie wollen wissen, wie etwas funktioniert, damit sie selbst zur Werkzeugkiste greifen und das Gerät reparieren können. Aus diesem Grund bilden sich in einigen deutschen Großstädten sogenannte Repair-Cafés. Diese entstehen nach einem Vorbild aus den Niederlanden und sind gut besucht. In diesen Cafés gibt es ein Kompetenzteam, das den Menschen dabei hilft, ihre Geräte wieder funktionsbereit zu machen. Diese bezahlen dafür eine kleinen Obolus. „Wer es besucht, leistet eine Spende von fünf Euro […]. Und dann bekommt man von den Fachleuten gezeigt, wie das kaputte Radio oder Fahrrad oder der löchrige Pulli sich reparieren beziehungsweise stopfen lässt“, so Dagmar Langel, die Initiatorin des Repair-Cafés im Kölner Stadtteil Porz, gegenüber der Welt. Diese Cafés gibt es neben Porz auch im Kölner Stadtteil Deutz, sowie in Aachen und Düsseldorf. Momentan sind diese noch nicht flächendeckend vertreten; Heimwerker, die nicht aus den Regionen kommen, haben aber trotzdem die Möglichkeit, sich mit Experten austauschen zu können. Das Internet bietet dafür einige Möglichkeiten: Auf http://www.handarbeitswelt.de/handarbeiten/flicken finden Interessierte Anleitungen zum Flicken von Kleidungsstücken und auf http://forum.ersatzteile-24.com/ gibt es einen Austausch mit der Community über die Reparatur von verschiedenen Elektrogeräten. Durch die Möglichkeit, im Internet Gleichgesinnte und Experten zu finden, ist es jedem möglich, seine Kenntnisse im Heimwerkern aufzufrischen und kaputte Geräte zu reparieren - sofern dies generell möglich ist. Dagmar Langel begrüßt diese Entwicklung und hofft, dass noch viele andere diesem Trend folgen: „Es ist ökologisch und ökonomisch einfach sinnvoll, die Dinge nicht gleich wegzuwerfen, sondern zu versuchen, sie zu erhalten.“
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