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Arbeit macht dumm

Moderne Arbeit: Ursache geistigen Verkommens und körperlichen Verfalls.   - Arbeit macht dumm, passiv, unmündig und krank. Die Globalisierung des Monopol-Kapitalismus hat den modernen Menschen zur Ware gemacht und ihn von sich selber und von seinen Mitmenschen entfremdet.


Von Norbert Knobloch

Die moderne, globale Hochfinanz ist nicht willens, den Bevölkerungen der Nationen die Voraussetzungen und die Gelegenheit für persönlich befriedigende, sozial sinnvolle, national nutzbringende Arbeit sowie humanitäre und politische Betätigung zu schaffen – im Gegenteil.

 

Dem Job-Proletariat wird der Zugang zu Information, Wissen und Bildung vorsätzlich extrem erschwert oder unmöglich gemacht – denn „Wissen ist Macht“...! Die abstumpfende, ermüdende Auswirkung der monotonen, fremdbestimmten Arbeit und der verdummende, passiv machende Einfluß der unsäglich banalen und trivialen, stupiden und niveaulosen Unterhaltungs-„Kultur“ in den Massenmedien zerstören den letzten Rest an Interesse und Eigeninitiative des Arbeiters. Dieser Effekt ist gewollt und geplant – von den Reichen und Mächtigen. So hat der normale Arbeiter, der nach durchschnittlich zehn Stunden Abwesenheit (oft sind es wegen der heute verlangten, unzumutbaren „Flexibilität“ mit langen Hin- und Rückwegen 12 Stunden und mehr!) erschöpft und ausgebrannt nach Hause kommt, den dazu finanzielle Sorgen und familiäre Probleme belasten, weder die körperliche Frische und die seelisch-geistige Energie noch die Zeit und die finanziellen Mittel, sich zu informieren, weiterzubilden, künstlerisch zu betätigen oder gar sozial und politisch sinnvoll zu engagieren.

 

Auch zur Pflege und Erhaltung seines Körpers (ausreichend Schlaf, gesunde Naturkost vom Bio-Bauernhof oder aus dem Bioladen und dem Reformhaus, natürliche Pflegemittel und Kosmetika, gesunde Kleidung aus unbehandelten Naturfasern, regelmäßiger Aufenthalt in der Natur, systematisches Körpertraining), der durch die widernatürliche Überlastung immer wiederkehrender einseitiger Beanspruchung oder ebenso unnatürlicher Unterforderung in der heutigen Arbeit (die anderen gesundheitsschädlichen Einflüsse am Arbeitsplatz noch gar nicht gerechnet!) geschädigt wird oder verfällt, hat der normale Arbeiter in der Regel weder ausreichende Zeit noch genügend Geld zur Verfügung; Disziplin und Initiative sind ihm ja eh ausgetrieben worden: Weil er jeden Tag mindestens acht Stunden von einer Pseudo-Autorität (Arbeitgeber, Vorgesetzte) gegen seinen Willen und sein Interesse zu einer Pseudo-Disziplin gezwungen wird, fällt er, sobald der Zwang aufhört, also am „Feierabend“ (und im „Urlaub“), in das andere Extrem, das passive Sich-Gehen-Lassen. Aktivität ist verlernt worden.

 

Paul Lafargue (1842 – 1911), Politiker, Schriftsteller und Schwiegersohn von Karl Marx, brachte es schon 1883 auf den Punkt: „In der kapitalistischen Gesellschaft ist die Arbeit die Ursache des geistigen Verkommens und körperlicher Verunstaltung.“ 1) Genauer und kürzer kann man die zersetzenden, zerstörerischen Konsequenzen des globalen, modernen Monopol-Kapitalismus, dieses kranken und kriminellen Systems, nicht mehr ausdrücken.

 

Dieselben Mißstände hindern den Arbeiter auch, sich mit schöngeistigen Dingen wie Kunst und Kultur, Religion und Philosophie – den wichtigsten und schönsten Dingen, nach der Liebe, im Leben des Menschen – zu befassen, obwohl ein geistig und seelisch gesunder Mensch ein angeborenes Bedürfnis dazu hat. Doch für diese wesentlichen Bestandteile eines sinnvollen, erfüllten Lebens ist in unserer auf Materialismus, Utilitarismus, Egoismus, Konkurrenz, Konsum und flüchtigen, oberflächlichen Vergnügungen beruhenden Neid-, Gier- u. Spaß-Gesellschaft kein Platz mehr. Symptomatische Aussage: „Darauf gibt´s keine Mark!“

 

Entsprechend der extremen, pervertierten Arbeitsteilung sind in unserer Konsum-Gesellschaft einige wenige Menschen zur „Produktion“ von „Kultur“ frei- (!) und abgestellt worden. Das sind die Angestellten an staatlich subventionierten Theatern, Opern- und Schauspielhäusern, die sich der Staat als „kulturelles Feigenblatt“ „leistet“ (!), und einige wenige „freiberufliche“ Künstler, die die Gesellschaft als Alibi großzügig „toleriert“, meist zwar ignoriert, aber mit deren Federn sie sich bei gewissen Anlässen gerne schmückt. Diese genießen jedoch, mit einzelnen Ausnahmen, welche die Regel nur bestätigen, in der Gesellschaft unvergleichlich geringeres Ansehen und erhalten eine erheblich niedrigere Gage als solch gescheiterte Existenzen und asoziale Nichtsnutze wie Porno-Darsteller(innen), TV-„Entertainer“ („Show- / Quizmaster“, „Moderatoren“), „Pop-Stars“, „Profi-Sportler“ und parasitäre Politiker...

 

Gordon Rattray Taylor  („Die biologische Zeitbombe“, „Das Selbstmordprogramm“) bemerkt dazu treffend: „Die Gesellschaft demonstriert auch, welche Werte sie bewundert, und zwar dadurch, wie sie ihren Lohn verteilt: Unsere Gesellschaft belohnt erfolgreiche Produzenten von Dienstleistungen und Waren verschwenderisch, indem sie sowohl viel Geld bekommen, als auch mit Titeln und Auszeichnungen geehrt werden. Viel weniger verschwenderisch ist sie gegenüber Gelehrten, Künstlern und schöpferischen Menschen.“ 2)

 

Karl Marx hatte die negativen Folgen der Arbeitsteilung für den Arbeiter ebenfalls erkannt und aufgezeigt: Ein Mensch, der stundenlang, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr, in der Regel sein ganzes Leben lang, die gleiche stupide Tätigkeit ausführen muß, wird körperlich verschlissen, ermüdet geistig und stumpft seelisch ab; er wird zur „Maschine“. (Das ist durchaus sinnbildlich zu verstehen. Dem modernen Menschen ist sein Leib fremd geworden; er erlebt seinen Körper als „Maschine“ und behandelt ihn auch so: „Verjüngungs“-Kuren, „Schönheits“-Operationen, Geschlechts-„Umwandlungen“, Depilation / Epilation [Entfernung der Körperhaare, insb. in den Achselhöhlen und im Schambereich], Selbst-Stigmatisierung / Selbst-Verletzungen [Tätowierungen / Piercings], Deo und Doping bezeugen die Entfremdung des modernen Menschen seinem natürlichen Körper gegenüber.)

 

Er ist in der Arbeit außer sich und nur außerhalb der Arbeit bei sich, wie Karl Marx es auch formulierte. Aber selbst das stimmt heute nicht mehr: Auch seine Freizeit ist dem arbeitenden Menschen heute entfremdet. Seine durch die sinnlose Routine der Zwangsarbeit (Lohnarbeit) verursachte innere Leere und unbewußte Verzweiflung versucht er vergeblich durch eine andere Routine, nämlich die der oberflächlichen, flüchtigen Vergnügungen („Spaß“), des passiven Konsums und der unkritischen Rezeption vorgefertigter Bilder und Töne, die ihm die Mainstream-Medien und die „Freizeit-Industrie“ liefern, auszufüllen oder zu betäuben (s. u.).

 

Zudem arbeitet er ja nicht freiwillig, sondern ist dazu gezwungen, weil er sonst innerhalb dieses Gesellschafts-Systems nicht überleben könnte; seine Arbeit ist Zwangsarbeit und Prostitution. Zusätzlich zum Zwangscharakter seiner Arbeit macht der Arbeiter ununterbrochen die frustrierende Erfahrung, daß er mit fremden Produktionsmitteln, die nicht ihm, sondern dem Arbeitgeber gehören, Dinge herstellen muß, die ihm auch nicht gehören und die ihn immer ärmer und seinen Zuhälter (Arbeitgeber) immer reicher machen, und daß er das ganze, fertige Produkt seiner Arbeit nie in Händen hält. Es trennt ihn also ein tiefer psychologischer Graben von den Früchten seiner Arbeit. Die Erfahrung seiner Fremdbestimmtheit sowie der all seines Tuns und der Tatsache, daß ihm gar nichts gehört, gipfelt in der unerträglichen, erniedrigenden Erkenntnis, daß er sich sogar nicht einmal selber gehört: Er muß sich ja ständig prostituieren, sich anbieten und seine Arbeitskraft verkaufen. Diese entehrenden, entwürdigenden Erfahrungen münden in die totale Entfremdung: von der Arbeit, von dem Produkt seiner Arbeit, von sich selber und von seinen Mitmenschen.

 

Weil der Arbeiter jeden affektiven Bezug zu seiner Tätigkeit verloren hat und weil er als Gegenleistung für seine Arbeit nicht den hergestellten Gegenstand erhält, sondern das abstrakte „Geld“, dient die Arbeit nur noch dazu, mit Geld Bedürfnisse (scheinbar) zu befriedigen, die in der entfremdeten Arbeit (tatsächlich) unbefriedigt bleiben. Die Arbeit ist nicht mehr selber Befriedigung eines ideellen Bedürfnisses des `kreativen Wesens Mensch´, sondern nur noch ein Mittel, um materielle Bedürfnisse außerhalb ihrer zu befriedigen. Der Arbeiter arbeitet nur noch, um zu kaufen (und zu konsumieren). Die (Ersatz-) Befriedigung von obendrein künstlich geweckten (Schein-) Bedürfnissen tritt an die Stelle der Selbstverwirklichung des Menschen in seiner Tätigkeit (vgl. Max Frisch, Homo Faber, 1957), die ihn erst vom Tier unterscheidet. Und so fühlt sich der von seinem Menschsein entfremdete Arbeiter folgerichtig auch nur noch in seinen „tierischen“ Funktionen Essen und Trinken, Zeugen und Schlafen als „Mensch“, aber in all seinen eigentlich menschlichen Funktionen Denken, Lachen, Mitfühlen und Lieben nur mehr als „Tier“. An diesem Punkt wird die Entfremdung des Arbeiters von der Arbeit und von sich selber quasi verdoppelt. 

 

Die Befriedigung des Menschen an seiner Tätigkeit korrespondiert engstens mit dem Anteil seiner persönlichen, eigenen Arbeit an dem von ihm gefertigten Produkt. Bei den Handwerkern des Mittelalters, überhaupt in hohen Kulturen lag dieser Anteil bei fast 100 %. Im handwerklichen Stadium der Einzelproduktion mit persönlicher Einheit von Kopf und Hand ist der Anteil der eigenen Arbeit an einem Produkt also sehr groß, bestenfalls sogar optimal. Die direkte Beziehung zu dem Endprodukt führt zu einer tiefen Befriedigung am und zu hoher Erfüllung im eigenen Werk. Dies war in der Zeit der kulturellen und künstlerischen Blüte der Menschheit, der Renaissance (und auch in der Gotik) der Fall, die eben darum zugleich die Hochzeit der Erfindungen auf allen Gebieten war. Der Mensch, „ein Wesen mit Vernunft und Händen“ (Thomas von Aquin [1225 – 1274]), braucht eine sinnvolle, schöpferische, befriedigende und erfüllende Tätigkeit so wie Atemluft und Nahrung. Ist sie ihm verwehrt, wird er, früher oder später, auf jeden Fall immer, seelisch und körperlich krank.

 

Mit der Industrialisierung hat der Anteil der persönlichen Arbeit des Menschen an dem Produkt, das er nun in fremdem Auftrag, nicht mehr aus eigener, freier Entscheidung, herstellen muß, in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu Arbeitsteilung, Spezialisierung und Automatisierung abgenommen. Der Tiefstpunkt ist gegenwärtig erreicht („Taylorismus“; nach Frederick Winslow Taylor [1856 – 1915]). Allein die Bezahlung bewegt den Arbeiter überhaupt noch zur Erbringung einer Mindestleistung: Nur der reine, nackte Überlebenswille, der Selbsterhaltungstrieb, und die Aussicht darauf, was er mit dem „verdienten“ Geld wird kaufen können, liefern ihm ein gewisses Motiv. Damit ist die Beziehung des Arbeiters zur Arbeit nur noch eine indirekte, entfremdete und entartete.

 

Die erfahrene Verdinglichung und Versachlichung des Menschen zur Ware (sic!), die erlebte Entwertung und Degradierung zur ersetzbaren Arbeitskraft und deren jederzeitige funktionelle Austauschbarkeit gegen jedweden anderen Menschen im automatisierten Produktions-Prozeß des globalisierten kapitalistischen Industrialismus macht das Bewußtsein seines persönlichen Wertes und seiner persönlichen Würde, seiner unverwechselbaren Einzigartigkeit zuschanden. Er erkennt den Sinn seiner (Zwangs-) Arbeit nicht mehr; sie hat ja auch keinen mehr. Seine Tätigkeit bekommt den Charakter des Absurden. Der Arbeiter empfindet seinen „Einsatz“ als austauschbares „Rädchen im Getriebe“ der automatisierten Produktions-Maschinerie als bedrohliche Entpersönlichung, als vernichtende Entmenschlichung.

 

Dieser psychische Schock führt zu Empfindungs- und Ausdrucks-Verdrängungen und in deren Folge zu Aggressionen oder Depressionen, Neurosen und Psychosen –  schwere psychische Störungen, die auf Dystreß (Übermaß schädlichen Stresses) zurückzuführen sind und zu erheblichen Beeinträchtigungen sensorischer, motorischer, emotionaler und vegetativer Funktionen führen können. Solche Beeinträchtigungen von Organ- und Nervenfunktionen durch länger andauernde Überlastungen gehen immer mit unwillkürlichen, dem Patienten / Opfer nicht bewußten Veränderungen des vegetativen Nervensystems und neurohumoraler Vorgänge einher und werden in der Wissenschaft „Psychosomatische Störungen“ (von altgriechisch psyche: Seele und soma: Körper) genannt. Psychosomatische Erkrankungen betreffen das Herz- / Kreislauf-System, das Verdauungs-System, die Sexual-Funktion, das Immun-System, die Atemwege, den Schlaf- / Wach-Rhythmus und den Appetit und können über Konzentrations-Störungen bis zur Amnesie (Gedächtnis-Verlust) führen. In der klinischen Psychiatrie werden diese für die Moderne typischen Symptome mit dem medizinischen Fachausdruck „Automations-Syndrom“  zusammengefaßt.

 

Jeder gute und erfahrene Arzt und Psychiater weiß um die wichtige therapeutische Funktion schöpferischer Arbeit. Aber solche wirkliche, wahre Arbeit, ohne Druck, Zwang, Hast, Not und Sorge frei(willig) verrichtet, Nützliches und Schönes hervorbringend, den Menschen erfüllend und befriedigend, ist in der modernen, globalisierten, monopol-kapitalistischen Industrie-Gesellschaft zu dem seltensten aller Güter geworden, zu dem fast niemand mehr Zugang hat. Während die Quantität der Produkte der Arbeit immer rasender zunimmt, sind ihre Qualität und die der Arbeit sowie der Wert der Arbeit auf nahezu Null gesunken.

 

Wie schnell das gegangen ist, zeigt sich gerade im Handwerk: Es ist heute praktisch unmöglich, neue Möbel zu finden, die an die Qualität derjenigen aus der Epoche des Biedermeier oder gar noch älterer auch nur annähernd heranreichen. Glasmalereien in der Qualität der Epoche vor fünfhundert Jahren kann heute niemand mehr herstellen. Als das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Maßwerkfenster des Südquerhauses des Kölner Domes im Jahre 2003 endlich ersetzt werden sollte, mußte das zuständige Domkapitel feststellen: „Bei genauer Prüfung stellte sich aus gestalterischen wie inhaltlichen Gründen heraus, daß dieses Thema mit den Mitteln und Methoden zeitgenössischer Glasmalerei nicht auf dem für den Dom notwendigen künstlerischen Niveau zu lösen ist.“ 3) Nach diesem Armutszeugnis vergab man den Auftrag an den in Köln lebenden Künstler Gerhard Richter, der sich in die Abstraktion (sic!) flüchtete und Farbquadrate aus – immerhin – mundgeblasenem Echt-Antik-Glas in 72 Farben zu einem sogar einigermaßen harmonischen Fenster zusammenfügte.

 

Damit soll nichts gegen den Künstler Gerhard Richter, den der Autor nicht persönlich kennt, gesagt sein – im Gegenteil: Unter den gegebenen Umständen hat er die Aufgabe sogar noch ziemlich gut gelöst, wie sich der Autor selber vor Ort überzeugen konnte. Es sollte lediglich an einem aktuellen Beispiel gezeigt werden, daß der Prozeß des galoppierenden Schwindens der Kombination höchster handwerklicher Fähigkeiten und genialer künstlerischer Begabung durch die pervertierte Entwicklung von Erziehung, Ausbildung und Arbeit / Beruf in unserem globalisierten, kapitalistischen, materialistischen Gesellschafts-System größtenteils schon irreversibel (unumkehrbar) geworden ist. (Vgl. Wolfgang Schmidbauer, Homo Consumens. Der Kult des Überflusses, dva, Stuttgart 1972, S. 45 / 46)

 

(Aus diesen Gründen wird heute auch überall nur noch von „Job“, aber nicht mehr von „Beruf“ gesprochen – Sprache ist verräterisch: Ein »Beruf« ist eine bewußt nach Neigung und Fähigkeit freiwillig gewählte und erlernte, ein Leben lang ausgeübte, dem Lebensunterhalt der Familie und damit dem Erhalt der Gesellschaft und der Nation dienende, sozial nützliche, sinnvolle, persönlich befriedigende Tätigkeit. Das Wort ist mit »Berufung« verwandt und bezeichnete ursprünglich einen inneren Auftrag, eine vorgezeichnete Bestimmung zu einer menschlich erfüllenden Aufgabe [So ist z. B. ein »Professor« ist ein zum Lehren „Berufener“]

 

Ein »Job« aber ist nur eine kurzfristige Gelegenheitsarbeit, eine vorübergehende Verdienst-möglichkeit, eine meist ungelernte, beliebige, unbefriedigende Tätigkeit mit dem einzigen Zweck des raschen Geldverdienens, ohne Sinn für den Ausübenden und ohne Nutzen für die Gesellschaft, allein von Vorteil für den Arbeitgeber. [„Job-Center“ – Sprache ist verräterisch!] In Zeiten der Globalisierung und des Monopol-Kapitalismus ist »Arbeit« nur noch »Job«.)

 

Auch die Hoffnung des Arbeiters, sich für freudlose, frustrierende und gesundheitszerstörende Zwangsarbeit in der sog. „Freizeit“ entschädigen zu können, ist enttäuscht worden: Erstens hatten die Menschen noch nie so wenig Muße, d. h. Zeit für sich wie heute, und zweitens bestimmt, wie die Erfahrung lehrt und Studiën bestätigen, die Qualität der Arbeitszeit jene auch der Freizeit. Die Freizeit-„Beschäftigung“ des durchschnittlichen Arbeitnehmers ist überwiegend passiv und meist krank: Er schaut sich abstoßende Freak-Shows sowie triviale, kitschige Spiel(!)filme und banale, stupide „Soap-Operas“ / „Telenovelas“ via TV oder Pornographie, Horror und Gewalt auf DVD (ins Kino, Konzert, Theater oder in die Oper geht kaum mehr jemand) an, „surft“ oder „chattet“ (to chat, engl.: klatschen, schnattern!) im virtuellen Weltnetz („Internet“), ödet seinesgleichen in Kneipen an oder besucht, wenn es hoch kommt, öffentliche Sport-Veranstaltungen – wieder als passiver Zuschauer. Das liegt, neben einem Mangel an Disziplin, Geld und Zeit, vorwiegend daran, daß seine aktive geistige Energie und körperliche Kraft völlig von der monotonen Routinearbeit zerstört worden sind.

 

„Der vollkommene Genuß des oral Regredierten aber ist die Verbindung von Sitzen und Trinken mit passivem Schauen und Hören: beim Fernsehen. Es ist schon phylogenetische Regression: Polypen gleich sitzen allabendlich Millionen angewurzelt auf dem Grunde der Nacht. Die Taucherglocke der Television flimmert lustig vor einem jeden. Und er bewegt sich. Aber nur die Fangarme kreisen zur unausgesetzten Versorgung des Mundes…“ 4)

 

Des arbeitenden Menschen „Glück“ (sic!) besteht heute darin, seinen „Spaß“ zu haben. Und er hat seinen Spaß – aber keine Freude! –, wenn er sich Junkfood, „Softdrinks“, Drogen (Kaffee, Alkohol, Zigaretten, Süßigkeiten etc.), Bilder und Töne, Illustrierte und Filme usw. einverleibt, verschlingt, sie eben „konsumiert“. Die Welt ist für ihn nur noch da zum ersehnten Stillen seines unersättlichen Appetits, zur erheischten Befriedigung seiner unerfüllten Sehnsucht, sie ist ihm eine riesige mütterliche Brust, und er ist der weinende, schreiende Säugling, der ewig hofft und ewig enttäuscht wird: Die „Mutter“ gibt ihm zwar die Brust, aber sie hat keine „Milch“ für ihn mehr, da sie ihn längst entwöhnt hat. (Vgl. Erich Fromm, Die Kunst des Liebens, Ullstein, Frankfurt am Main / Berlin / Wien 1980, S. 99 f.)

 

Der US-amerikanische Ökonom und Politiker John Kenneth Galbraith (1908 – 2006) beschreibt bereits 1958 in seinem Werk „The Affluent Society“ („Gesellschaft im Überfluß“) das heutige wirtschaftliche System der kapitalistischen Gesellschaft als ein Instrument, das nicht mehr hauptsächlich der Befriedigung von Wünschen dient, sondern vielmehr der Erzeugung von Wünschen. Dieser absurde Aspekt unseres heutigen Wirtschafts-Systems ist der maßgebliche, der es von jenen aller anderen Kulturen in der Geschichte der Menschheit (negativ) unterscheidet: Es hat noch nie einen solchen wirtschaftlichen Wahnsinn gegeben wie den, ein „Wirtschafts-Wachstum“, das heißt eine „Wegwerf-Gesellschaft“ zu propagieren („Das »Bruttosozialprodukt« ist letzten Endes nur eine Maßzahl für den Durchsatz an Rohstoffreserven, die zu Abfall, Müll und Schrott werden.“ 5))

 

Galbraith schreibt: „Man kann nicht die Produktion damit rechtfertigen, daß sie vorhandene Bedürfnisse befriedige, wenn die gleiche Produktion selbst erst die Bedürfnisse weckt. (...) Wenn die Produktion die Bedürfnisse erzeugt, die sie zu befriedigen vorgibt, oder wenn die Bedürfnisse im gleichen Schritt und Tritt mit der Produktion entstehen, dann kann die Dringlichkeit des Bedarfs nicht mehr dazu benützt werden, um die Dringlichkeit der Produktion zu rechtfertigen. Die Produktion füllt nur eine Lücke aus, die sie selbst erst geschaffen hat.“ 6) „Wirtschaftliche Masturbation“ nennt Oscar Kiss Maerth (1914 – 2004) das in seinem Buch „Der Anfang war das Ende“ (Econ, Düsseldorf / Wien 1971).

 

Das wird aus ganz anderer, nämlich psychologischer und soziologischer Sicht bestätigt von dem deutschen Psychotherapeuten und  Sozialwissenschaftler Erich Fromm (1900 – 1980), der sich in seinen Werken „Wege aus einer kranken Gesellschaft“ (1955), „Haben oder Sein“ 1976) und „Pathologie der Normalität“ (ersch. 1991) auch mit dieser Problematik der modernen Gesellschaft befaßt hatte: „Es liegt im Wesen des Habenwollens, daß man erstens immer mehr haben will und daß man damit notwendigerweise in Konflikt mit den Interessen aller anderen gerät, sowohl im individuellen Bereich innerhalb einer Gesellschaft wie im internationalen Bereich zwischen Nationen. Das Habenwollen und die Gier sind ihrem Wesen nach dadurch gekennzeichnet, daß sie unbegrenzt sind. Physiologische Bedürfnisse sind von der Natur aus begrenzt. (…) Unsere Industrie aber hat zu ihrem Selbsterhalt, und um die nötigen Profite zu erzielen, ein System erfunden, das immer neue Bedürfnisse schafft.“ 7)

 

Da aber den Menschen prägt, was er tut oder, wie in dem beschriebenen Fall, eben nicht tut, wird er selber passiv und „zerstreut“, „vermasst“ und vereinsamt. Er übertüncht, übertönt seine verdrängte, unterbewußte Verzweiflung mit flüchtigen „Vergnügungen“, oberflächlicher „Geselligkeit“ und Konsum bis zur Sucht: Narzißmus und Egozentrik statt Originalität und Individualität, Herdendasein statt echter Gemeinschaft, Isolierung statt Personsein, Zerstreuung statt Konzentration und Kontemplation, Aktionismus statt echter Aktivität auf der Flucht vor sich selber und in der Betäubung der Furcht vor dem Alleinsein mit sich selber. In offensichtlicher Unfähigkeit, auch nur kurze Zeit mit sich selber allein zu sein, und in offenkundiger Furcht davor vermeiden, ja fliehen moderne Menschen jede Möglichkeit der Selbstbesinnung und inneren Einkehr, der Einsamkeit und Stille. Es scheint, als fürchteten sie unterbewußt, die Selbstreflexion könnte ihnen ein geradezu gräßliches, entsetzliches Selbstbildnis entgegenhalten (vgl. Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray / Das Bildnis des Dorian Gray). Der Freud-Schüler, Psychologe und Psychotherapeut Wilhelm Stekel (1868 – 1940) nennt diesen Zustand „horror vacui“, die Furcht vor der (inneren) Leere.

 

„Selbst die viel beklagte »Langeweile« ist nichts anderes als die andere Seite der Hektik, die Leere nämlich, gerade einmal nicht so rasch produzieren und konsumieren zu können, wie man es gewohnt ist.“ 8)

 

Um der (Ersatz-) Befriedigung künstlich erzeugter (Schein-) Bedürfnisse nach Überflüssigem willen schuftet die Mehrheit der manipulierten Menschheit zum Vorteil einer verschwindend kleinen Minderheit, der herrschenden Klasse der Kapitalisten / der Hochfinanz, ohne es zu wissen und zu merken. Der in der Existenzweise des `Habens´ lebende, konsumierende, süchtige Mensch hat nie genug! Tag für Tag schuftet er für Dinge, die er nicht braucht, zu deren Genuß er nie Zeit haben wird, und die für diesen Genuß qualitativ ohnehin nicht taugen. Dennoch nimmt er alles mit, auch das, was er nicht gebrauchen kann, um es wieder zu verkaufen, damit er etwas anderes dafür erwerben kann, was er zu brauchen meint. Der Nutzen und Gebrauchswert vieler Waren und Güter, die nicht diese Bezeichnung, sondern eher solche wie „Schund“ und „Tand“, „Müll“ und „Schrott“ verdienen, nähert sich bereits Null; aber das Mittel ist zum (Selbst-) Zweck geworden, und die Menschen erheischen eine Erhöhung des Konsums und eine Beschleunigung des Kaufens, Verbrauchens und Wegwerfens selbst dann noch, wenn der Nutzwert bei Null liegt – oder aber gerade deshalb…

 

(Tiefenpsychologisch formuliert, wird das menschliche Verhalten, insbesondere das Konsum-Verhalten, während der „oralen“ und „analen Phase“ [die, entgegen der Auffassung Freuds, ein sozio-kulturelles Kunstprodukt ist: in Kulturen, die keine Sauberkeits-Dressur des Kindes kennen, ist eine „anale Phase“ unbekannt] maßgeblich geformt: Der menschliche Charakter wird während der ersten sechs Lebensjahre entscheidend geprägt [„Charakter“ heißt „Gepräge“!]. Und in der neuzeitlichen Arbeits- und Konsum-Gesellschaft wird der angehende „homo laborans“ und „homo consumens“ eben zum „Prothesengott Mensch“ [Sigmund Freud] oder zum „Prothesenmensch“ [Schmidbauer] in einer „Prothesenwelt“ [Schmidbauer] geprägt: Er würde nicht einmal überleben können, nähme man ihm seine [Zwangs-] Arbeit und seinen Flitter, seinen Talmi, seinen Kitsch, seinen Tand und seinen Schund, für den er sich Sinn-los abrackert und den er täglich Gedanken-los konsumiert, weg.)

 

„Wirtschaftliche Masturbation“ nennt das Oscar Kiss Maerth (1914 – 2004); als „instant gratification“ („Sofortbefriedigung“) und „Neophilie“ („Sucht nach Neuem“) bezeichnet es der österreichische Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz (1903 – 1989):

„Da sich das fortschreitende Schwinden der Fähigkeit zu Lusterlebnissen [wie das der Leidens-Bereitschaft!] größtenteils aus der Gewöhnung an starke und immer stärkere Reizsituationen ergibt, ist es nicht verwunderlich, daß blasierte Menschen nach immer neuen Reizsituationen fahnden. Diese »Neophilie« betrifft so ziemlich sämtliche Beziehungen zu Umweltobjekten, deren Menschen überhaupt fähig sind. Für den von der in Rede stehenden Kulturkrankheit Befallenen verliert ein Paar Schuhe, ein Anzug oder ein Automobil nach einiger Zeit des Besitzes in völlig analoger Weise seine Anziehungskraft wie die Geliebte, der Freund [oder ein Haustier] oder selbst die Heimat. (…) Die Neophilie ist eine Erscheinung, die den [industriëllen] Großproduzenten hochwillkommen ist und die, dank der (…) Indoktrinierbarkeit der Massen, zu merkantilem Gewinn größten Stiles ausgeschrotet [profi-tabel ausgeschlachtet] werden kann. »Built-in obsoletion«, d. h. »eingebaute Veraltung«, ist ein Prinzip, das in der Kleider- wie in der Automobilmode eine sehr große Rolle spielt.“ 9)

 

Der Münchener Psychotherapeut Wolfgang Schmidbauer [* 1941] warnt denn auch vor den Gefahren: „Dadurch, daß Homo consumens stets von Gegenständen umgeben ist, die rasch verschleißen und leicht ersetzbar sind, verliert er fast völlig die Fähigkeit, sich noch an bestimmte Dinge zu binden und sich ihrer wirklich zu freuen. (…) Die immer mehr abnehmende Bindung an schöne, gut gearbeitete und erhaltenswerte Dinge verhindert, daß Homo consumens sich für die Gegenstände, mit denen er umgeht, wirklich interessiert und sie erforscht. (…) Diese Gleichgültigkeit wird nun ihrerseits wieder der Umwelt gefährlich: (…) Der Natur entfremdet, macht es Homo consumens nicht mehr viel aus, sie zu zerstören. (…) Während die Reklame Homo consumens dazu drängt, das Überflüssige »notwendig« zu finden (…), kommt der Mensch mehr und mehr in Gefahr, das für ein menschenwürdiges Leben Notwendige für »überflüssig« zu halten: saubere Luft, reines Wasser, Nahrungsmittel ohne gesundheitsschädliche Insektizid-, Hormon- oder Antibiotikazusätze.“ 10)

 

Diese fatale Wechselwirkung von Entfremdung und Zerstörung wird sich bis zur ökologischen und sozialen Katastrophe aufschaukeln, wie Konrad Lorenz warnt: „Indem die zivilisierte Menschheit die lebende Natur, die sie umgibt und erhält, in blinder und vandalischer Weise verwüstet, bedroht sie sich mit ökologischem Ruin. Wenn sie diesen erst einmal ökonomisch zu fühlen bekommt, wird sie ihre Fehler vielleicht erkennen, aber sehr wahrscheinlich wird es dann zu spät sein. Am wenigsten aber merkt sie, wie sehr sie im Verlaufe dieses barbarischen Prozesses an ihrer Seele Schaden nimmt. Die allgemeine und rasch um sich greifende Entfremdung von der lebenden Natur trägt einen großen Teil der Schuld an der ästhetischen und ethischen Verrohung der Zivilisationsmenschen. Woher soll dem heranwachsenden Menschen Ehrfurcht vor irgend etwas kommen, wenn alles, was er um sich sieht, Menschenwerk, und zwar sehr billiges und häßliches Menschenwerk ist?“ 11)

 

Außer den persönlichen Schäden für das Individuum zeitigen Globalismus und Monopol-Kapitalismus obendrein auch tiefgreifende negative Folgen für die Struktur der gesamten Gesellschaft und damit der Nation. Die Entfremdung wirkt sich nun nämlich auch noch in den Beziehungen der Menschen untereinander aus. Der von seiner Arbeit abgekoppelte Mensch ist nur noch von dem Wunsch beseelt, haben zu wollen, und diese Haltung, nämlich in der Existenzweise des `Habens´ statt in der des `Seins´ zu leben, vergiftet jegliches zwischen-menschliche Miteinander und zersetzt jede soziale Gemeinschaft (vgl. Erich Fromm, Haben oder Sein). So führt der Kapitalismus zum „emotionellen Wärmetod“ (Konrad Lorenz), zur Auflösung der Familië, der Gesellschaft und der Nation und zur Vereinzelung der Menschen: Jeder ist Konkurrent des Anderen – sowohl um den Arbeitsplatz wie auch um Konsumgüter.

 

Es zeigen sich die inhumane Eigenschaft und zersetzende Wirkung des modernen Monopol-Kapitalismus mit seiner fatalen Verschiebung der Werte: Mit zunehmender Verwertung der sächlichen Gegenstände wächst proportional die Entwertung der lebenden Menschen. Weil das Geld ein abstraktes Ersatzmittel ist, das an die Stelle von konkreten Gegenwerten getreten ist, verwirrt es den Sinn für wahre Werte: Der Preis einer Ware wird irrtümlich für ihren Wert gehalten („Sie kennen den Preis von allem, aber den Wert von nichts.“ [Oscar Wilde; Horst Stern]). In Wirklichkeit ist er aber nur ein Feigenblatt für ungerechte Besitz-Verhältnisse sowie für menschliche Entwertung und Erniedrigung, Entwürdigung und Entfremdung. Während die zwischenmenschlichen Beziehungen immer utilitaristischer (materialistisch-zweckorientiert), nüchterner und kälter werden – so ist der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber und der Steuerzahler für den Politiker nur noch Mittel zum Zweck, nämlich kalkulierbarer Kostenfaktor in seiner privaten (privare, lat.: berauben!), parasitären Gewinnrechnung –, erscheint die Ware im blendenden Licht des „Mehr-Scheinen-Als-Sein“ und erhält so den Charakter eines Fetisches, der zwanghaft, also krankhaft verehrt wird.

 

Der konkrete Gebrauchswert eines Gegenstandes wird mit seiner Vermarktung aufgehoben, zweckentfremdet und zum abstrakten Tauschwert. Erst durch diese künstliche Wandlung seiner ursprünglichen Bestimmung, des praktischen Nutzens des Gebrauches in den abstrakten Nutzen des Tausches, wird ein Gebrauchs-Gegenstand zur Ware. Der veräußerte Gegenstand wird zu einer ihres Zweckes und Sinns entäußerten Ware. So werden Produkte zu Waren, Waren zu Geld und Geld zu Kapital – auch die `Ware Mensch´ und seine Arbeitskraft.

 

Der globalisierte Monopol-Kapitalismus ist, im Unterschied zur Naturalwirtschaft des mittelalterlichen Feudalismus, Warenproduktion auf ihrer höchsten und pervertiertesten Entwicklungsstufe, auf der auch der Mensch, der Arbeiter, und seine Arbeitskraft zur Ware werden. Mit der Verwandlung der Menschen und Produkte in Waren und der Waren in Geld, also des Wertes in den Preis, werden die zwischenmenschlichen Beziehungen und die des Menschen zu sich selber entfremdet und entmenschlicht, versachlicht und verdinglicht.

 

Geld und Preis sind zu beherrschenden Faktoren jedes Bereiches im Leben des heutigen Menschen geworden. Alles wird gezählt und gemessen – am Geld – und bekommt ein Preisschild. (Vgl. das Gedicht „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren sind Schlüssel aller Kreaturen…“ des deutschen Dichters der Romantik und Schöpfers der „Blauen Blume“, Novalis alias Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg [1772 – 1801]!) Der Hauptnenner, auf den alles gebracht wird, ist der Preis. Was keinen Preis hat, läßt sich nicht einordnen, vergleichen und abschätzen – also muß es wohl „wertlos“ sein. Jeder will Preise wissen, um „kalkulieren“ zu können. Die Menschen der heutigen Welt des Globalismus und Kapitalismus wissen mit echten, ideellen Werten, die sich nicht messen und in Geld umrechnen lassen, nichts, aber auch gar nichts mehr anzufangen. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Zerstörung aller höheren Werte durch „Kalkulation“. Das macht auch vor dem persönlichsten, intimsten Bereich des Menschen, der Sexualität, nicht halt:

 

„Sexualität als Tauschobjekt. Sex wird getauscht – gegen Geld, gegen Naturalien, gegen die Miete, für´s Prestige. Der Warencharakter der Sexualität in der fortgeschrittenen Konsumgesellschaft wird mit einer unbekümmerten Deutlichkeit dargestellt, die kein Kulturkritiker aufgebracht hat.“ 12)

 

„Homo consumens“ wird selber und macht alles, womit er zu tun hat, zum Konsumgut, zur käuflichen Ware, die ihren „Marktwert“, d. h. ihren Preis hat – auch seinen eigenen Körper und den seiner Mitmenschen, seien es nun Sexualpartner, Porno-Darsteller(innen) oder jene „professionell Gewerbetreibenden des Showbusiness“ (Wolfgang Schmidbauer), die euphemistisch (beschönigend) „Sportler“ genannt werden.

 

Der pervertierte (entartete), nämlich hemmungs- und schrankenlose Konsum des modernen, in der globalisierten Gesellschaftsform des `Habens´ lebenden Menschen ist eben nur um den Preis seiner totalen Entfremdung zu haben. Die Versachlichung durchdringt nun umgekehrt auch die Beziehungen zwischen den Menschen und das Verhältnis des Einzelnen zu sich selber. Damit ist sie das Pendant zur Abstraktion des Tauschwertes von Waren in der heutigen kapitalistischen Wirtschaftsform. Am Ende ist das abstrahierte Subjekt, der Mensch, ohnmächtig der totalen Herrschaft des abstrahierenden Tausches abstrakter Objekte, der Waren, und ihres Preises, des Geldes, ausgeliefert, meist auch noch, ohne es zu wissen.

 

„Wert“ im Sinne von Preis, Geld und Kapital ist bloß die entfremdete, nämlich versachlichte und verdinglichte Erscheinungsform der gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen den Menschen und ihrer zwischenmenschlichen, aber eben entmenschlichten Beziehungen. Das Ergebnis dieser abstrahierten und abstrahierenden Verhältnisse ist der Warenwert (Preis):

 

„Der Warenwert [der Preis] hat das abstrahierende Austauschverhältnis zur Form und die abstraktifizierte Arbeit zur Substanz. In dieser abstrakten Relationsbestimmung der `Wertform´ [des Geldes] wird die Arbeit als `Wertsubstanz´ der rein quantitative Bestimmungsgrund der `Wertgröße´ [der Höhe des Preises der Ware].“ 13)

 

Werttheoretisch betrachtet ist produktive, besser: produzierende „Arbeit“ heute mehrwert-, nämlich kapitalproduzierende Arbeit und nichts sonst. Auf den Gebrauchswert der hergestellten Güter kommt es dabei nicht mehr im geringsten an; sie sollen auf den Markt geworfen, also als Waren mit Gewinn (Profit) verkauft werden, das ist alles. Das ist zwar aberwitzig und irrsinnig, aber leider realitätsmächtig Karl Marx meint das gleiche und hat recht, wenn er sagt: „Die Arbeit schafft Wert, aber sie ist nicht Wert.“ 14) Mit anderen Worten: Der Arbeiter schafft in, mit und durch seine Arbeit (Mehr-) Wert (Überschuß, d. i. Profit für den Arbeitgeber), aber er selber ist kein Wert, das heißt, er ist selber als Mensch nichts wert.

 

Max Horkheimer (1895 – 1973) und Theodor W. Adorno (1903 – 1969), die neben Herbert Marcuse (1898 – 1979) und Jürgen Habermas (geb. 1929) wichtigsten Vertreter der „Kritischen Theorie“, wegen des Sitzes ihres „Institutes für Sozialforschung“ in Frankfurt am Main auch „Frankfurter Schule“ genannt, haben dieses Phänomen, diese Problematik in Ihrer „Dialektik der Aufklärung“ schlagend in einem einzigen Satz zusammengefaßt:

 

„Der Animismus hatte die Sachen beseelt, der Industrialismus versachlicht die Seelen.“ 15)

 

Wo aber der Mensch als Arbeiter zur Sache, zum Ding, zur Ware entwertet und als Mittel instrumentalisiert und mißbraucht wird, ist der zweite Kategorische Imperativ des größten deutschen Denkers und Philosophen, des Idealisten Immanuel Kant (1724 – 1804), der die wichtigste persönliche, individuëlle Maxime für jede menschliche Gemeinschaft in Worte faßt („Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“), ins Gegenteil verkehrt (pervertiert) und auf den Kopf gestellt. Der vernichtend sich auswirkende Utilitarismus, die verheerende Folgen zeitigende Kosten- / Nutzen-Kalkulation sind die pathologische (krankhafte) Verwechslung des Mittels mit dem Zweck.

 

Es will schon etwas heißen, Menschen, die sich ver-dingen (sic!) und ver-mitteln (sic!) lassen müssen, und denen allein ihre Prostituierung und Versklavung ihr Überleben gewährleistet  und einen gewissen sozialen Status verleiht, soweit zu bringen, um eben diese Vergewaltigung und Ausbeutung in Form der heute zynisch „zumutbar“ (sic!) genannten Zwangsarbeit („Hartz IV“!) zu betteln, und zwar um jede und zu jedem Preis bzw. Lohn („Ein-Euro-Jobs“ / „Mini-Jobs“!), das heißt immer zum niedrigsten. Das ist obszön und pervers, asozial und kriminell, unzumutbar und unerträglich sowie nicht mehr hinnehmbar.

1) Paul Lafargue, Le droit à la paresse, 1883; zit. n. der deutschen Ausgabe Das Recht auf Faulheit, Verlag Monte Verita, Wien 1988

2) Gordon Rattray Taylor, Das Experiment Glück. Entwürfe zu einer Neuordnung der Gesellschaft, S. Fischer, Frankfurt / Main 1973, S. 346

3) zit. n. Info „Das neue Südquerhausfenster von Gerhard Richter“, Verlag Kölner Dom, Köln 2008, S. 4

4) Arno Plack, Die Gesellschaft und das Böse. Eine Kritik der herrschenden Moral, List Verlag, München 1967

5) Kenneth E. Boulding, Environment and Economics, 1971; zit. n. Herbert Gruhl, Ein Planet wird geplündert, S. Fischer, Frankfurt / Main 1975, S. 112

6) John K. Galbraith, Gesellschaft im Überfluß, Droemer'sche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachfahren, München / Zürich 1959, S. 168

7) Erich Fromm, Interview mit Paul Assal vom SWF Baden-Baden 1977; zit. nach Fromm, Die Kunst des Lebens, Herder, Freiburg im Breisgau 2007, S. 44

8) Karlheinz A. Geißler, Haben Sie Zeit!, in: Psychologie Heute, 19. Jahrgang, Heft 11, November 1992; zit. nach: Gerhard Senft (Hrsg.), Verweilen im Augenblick. Texte zum Lob der Faulheit, gegen Arbeitsethos und Leistungszwang, Löcker Verlag, Wien 1995, S. 262

9) Konrad Lorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, R. Piper & Co. Verlag, München 1973, 21. Auflage 1989, S. 48 / 49; Hervorheb. im Original; Anm. d. d. Verf.

10) Wolfgang Schmidbauer, Homo consumens. Der Kult des Überflusses, dva, Stuttg. 1972, S. 15, 16, 46, 48

11) Konrad Lorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, a. a. O., S. 28; Hervorheb. im Original

12) Henryk M. Broder, in: DIE ZEIT, Ausgabe Nr. 04 / 1975, 16. 01. 1975, Rubrik „Kultur“: „Unterm Dirndl wird gekurbelt“; Hervorheb. d. d. Verf.

13) Alfred Sohn-Rethel, Geistige und körperliche Arbeit, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970, S. 46; Anm. u. Hervorheb. d. d. Verf.

14)  Zitiert nach Alfred Sohn-Rethel, Geistige und körperliche Arbeit, a. a. O., S. 157

15) Max Horkheimer / Theodor W. Adorno,  Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, S. Fischer, Frankfurt am Main 1969

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