Aktuelle Daten der Bundesregierung vom Oktober 2025 zeigen: In Deutschland fehlen bereits über 5.000 Hausarztpraxen. 370 Milliarden Euro werden jährlich an Versicherungsprämien bezahlt. Doch das System ist selbst krank.
Von Meinrad Müller
Ein neuartiges Vereinsmodell, von Patienten erdacht, könnte die medizinische Versorgung endlich verbessern. Heute: überfüllte Wartezimmer, Ärzte in Akkordarbeit, fünf Minuten pro Patient, ein Menschenleben wird zur Fallnummer. Nicht aus Bosheit, sondern weil Bürokratie, Budgetzwang und Dokumentationswahn Ärzte in den Takt zwingen. Zeitdruck gefährdet Diagnose, Vertrauen und Heilung.
Ärzte schwören den Hippokratischen Eid: „Zuerst nicht schaden“ – primum non nocere.
Führt aber dieser Dauerstress der Ärzte nicht genau dazu, möglicherweise und unbeabsichtigt doch Schaden anzurichten?
Was, wenn ein Privatarzt ganz ohne Zusatzversicherung nach Hause käme?
Alle Patienten wünschten sich ein ausführliches Gespräch. Viele Ärzte würden es ja gern führen. Doch wer sich heute Zeit nimmt, verdient am Ende weniger. Die Abrechnung belohnt Menge statt Qualität. Selbst Privatpatienten berichten von Hektik. Gute Medizin braucht jedoch Zeit, aber Zeit ist im derzeitigen System nicht vorgesehen, das Milliarden an Beiträgen verschlingt.
Die Idee: 100 Menschen, 50 Euro, ein Vereinsarzt
Was wäre, wenn Patienten sich zusätzlich selbst organisierten? Und das ginge so: Hundert Personen legen im Monat je 50 Euro in eine „Gesundheitsvereinskasse“. Das ergäbe dann 5.000 Euro. Mit diesem Betrag ließe sich ein junger Arzt anstellen, so wie es auch bei großen Fußballvereinen einen Vereinsarzt gibt. Der Arzt wäre einziger Mitarbeiter des Vereins und betreute ausschließlich nur die 100 Mitglieder des Vereins. Kein Kassenarztvertrag, keine Budgetdecke, keine 70-Patienten-Tage.
Die 5.000 Euro Mitgliedsbeiträge des Vereins decken alles ab:
– Gehalt für den jungen Arzt bei 30 Stunden pro Woche
– Sozialabgaben
– ein einfaches Leasingauto
– Kfz-Steuer und Versicherung, Benzin
– ein Diensthandy
Der Verein finanzierte nur den einen Arzt. Dieser betreute die Mitglieder persönlich. Ein Privatarzt, der den Patienten keine Rechnungen schickte.
Der Vereinsarzt hätte viel Zeit – und käme wie die Feuerwehr
Der Vereinsarzt brauchte keine eigene Praxis und kein Wartezimmer. Er rechnete nicht mit der Krankenkasse ab, sondern erhielte sein Gehalt direkt vom Verein. Er käme zu den Mitgliedern nach Hause, ohne Stress, ohne Termindruck. Stellen Sie sich vor: Der Arzt klingelt und hat keine Stoppuhr in der Tasche. Und wenn von 100 Vereinsmitgliedern etwa 20 im Monat krank würden, dann hätte er rechnerisch einen ganzen Tag Zeit für einen einzigen Patienten. So entsteht Raum für gründliche Untersuchung und ehrliches Zuhören. Medizin würde wieder persönlich und menschlich.
Die Krankenkasse bliebe
Die gesetzliche oder private Krankenversicherung bliebe bestehen. Krankenhaus, MRT, Operationen. Der Vereinsarzt übernähme das, was heute fehlt: persönliche Betreuung, Prävention, Beratung bei und nach Krankenhausaufenthalten, Begleitung, Zeit. Der Vereinsarzt wäre wie früher der gute alte Hausarzt. Wer zusätzlich zum klassischen Hausarzt möchte, könnte das wie bisher tun, zum Beispiel für Laborwerte oder Überweisungen. Das Vereinsarztmodell ergänzte das System.
Ein neuer ärztlicher Beruf entstünde
Viele junge Ärzte verlassen Kliniken, weil sie dort überlastet und unterbezahlt sind. Im Vereinsmodell hätten sie feste Einnahmen, medizinische Freiheit, planbare Arbeitszeit. Kein Burn-out, kein 24-h-Dienst. Sie arbeiteten nicht mehr gegen die Uhr, sondern für Menschen. Das macht den Beruf wieder attraktiv.
Warum das Modell überzeugt
50 Euro im Monat sind ein überschaubarer Mitgliedsbeitrag.
Hundert Menschen gemeinsam können erreichen, was einer allein nie schafft.
Viele selbstständige regionale Vereine schaffen Nähe und Vertrauen.
Zeit ist die wichtigste Medizin und hier gäbe es sie wieder.
Ein erster Schritt in eine bessere Versorgung
Hundert Menschen, ein Verein, ein Arzt, mehr wäre nicht nötig. Jeder Verein wäre selbstständig und könnte sehr regional agieren, um die Fahrzeiten des Arztes kurz zu halten. Für die nächsten 100 Mitglieder gründete man einfach einen weiteren Verein. Ohne Dachverband, ohne Bürokratie.
Ob diese Form der Patientenbetreuung umgesetzt wird, wird sich zeigen. Zunächst ist es nur eine gut gemeinte Idee. Doch sie zeigt einen Weg aus der Fünf-Minuten-Medizin und macht deutlich: Wir sind dem System nicht ausgeliefert.
Wir könnten eine bessere Medizin selbst in die Hand nehmen. Zu befürchten ist allerdings, dass diese gute Idee im Keim erstickt wird.
Meinrad Müllers Blog: www.info333.de/p



