Die Regierung hat eine Idee: Aktivrente heißt das. Ich soll 2026 wieder arbeiten gehen, sagen sie. Rentner nochmals aktivieren, sagen sie. Wieder 160 Stunden im Monat. Lohnt sich für mich wirklich nicht.
Von Meinrad Müller
Horst Kowalski, 71, kriegte den Mindestlohn. Im Gespräch mit ihm kommt Volkes Stimme ans Licht: Wegen 300 Euro netto mehr soll ich wieder einrücken, sagen sie. Nein danke. Da bleibe ich lieber auf der Parkbank. Ruhestand hieß es früher. Erst 45 Jahre schuften, Steuern zahlen und dann endlich Ruhe. Mein Plan für den Ruhestand ist glasklar und wunderbar einfach. Morgens um neun auf der Parkbank an der Spree in Charlottenburg sitzen und Enten füttern. Punkt.
Kopfhörer tief in den Ohren, Heavy Metal aus der wilden Jugendzeit, Black Sabbath, Iron Maiden oder Slayer. Laut genug, dass die Ente neben mir mit dem Kopf wippt. Dazu eine Flasche Bier vom Kiosk in der Hand wärmen, damit sie nicht allzu kalt auf den empfindlichen Rentnermagen schlägt. Vielleicht noch eine billige Zigarre im Mundwinkel. Man raucht sie nicht richtig, sagt er. Ich paffe nur und sitze da, lasse den Rauch der Welt an mir vorbeiziehen und grinse innerlich.
Ich schaue den Jungen zu. Denen mit schicker Aktentasche, darin der Nudelsalat, weil die Kantine zu teuer ist. Alle hetzen sie zur U-Bahn, als hänge das Schicksal der Nation an ihrer Pünktlichkeit. Wie wichtig sie sich vorkommen. Dabei rennen sie im Grunde nur einem Traum hinterher. Irgendwann auch einmal hier auf einer Parkbank am Fluss sitzen zu dürfen. Mit Bier, Zigarre und dröhnendem Heavy-Metal. Arme Würstchen, denke ich. Ihr müsst noch Jahrzehnte buckeln, bis ihr auf meine Bank dürft.
Jetzt kommt die Regierung und verkauft das als Fortschritt. Aktivrente. Ab 2026 dürft ihr Rentner 2000 Euro steuerfrei dazuverdienen. Super, oder? Aktiv heißt in Wahrheit nochmals malochen. Und das alles wegen 300 Euro weniger Abzügen. Rechnet sich nicht. Ich will doch endlich passiv sein. Die Entenfütter-Rente reicht. Mager, aber reicht.
Statt Spreeufer, mit Blick auf Boote und Geflügel, wieder ins Werk? Der Ex-Chef ruft an. „Horst, mit der Aktivrente lohnt sich das doch jetzt“. Der Mann kann genauso wenig rechnen wie die Regierung. Von der sind wir das ja gewohnt.
300 Euro weniger Abzüge motivieren mich nicht. Und mein Kegelbruder Wilfried, Selbstständiger, kann gar nichts aktiv dazuverdienen. Das nennen sie soziale Gerechtigkeit. Die können sie sich wo hinschieben. Danke, Regierung.
Ich bleibe eisern bei meiner Passivrente von 1420 Euro. Schönen Dank auch für 45 Jahre am Fließband bei BMW in Berlin Spandau. Mein Platz auf städtischen Parkbank an der schönen Spree bleibt besetzt. Jeden Morgen um neun. Mit Bier, Zigarre und Heavy Metal. Die Enten warten schon. Sollen die anderen hetzen. Ich habe endlich Zeit.
Kritik des Instituts der Deutschen Wirtschaft https://www.iwkoeln.de
Meinrad Müllers Blog: www.info333.de/p



