Die Schuldenkrise bildet die Drohkulisse, um den nächsten „unausweichlichen“ Schritt hin zu einer politischen Union vom Bürger abzufordern. - Nicht die Staaten sind in Wahrheit bankrott, sondern das Fundament unseres heutigen Finanzsystems. Dieses System kann nicht gerettet werden. Je schneller wir das Unausweichliche akzeptieren, desto schneller können wir beginnen, ein besseres, nachhaltigeres und gerechteres Operativsystem für unsere Marktwirtschaft zu schaffen.
von Yoshi Frey
Zur Lösung der Verschuldungskrise in den Euroländern wird immer wieder die Schaffung von Eurobonds vorgeschlagen. Bisher hat die deutsche Regierung aus gutem Grunde der Versuchung einer Vergemeinschaftung der Haftung für die Schulden der Euroländer widerstanden. Nun muss sie aber langsam einsehen, dass eine gemeinsame Haftung praktisch sowieso schon durch die Einführung des Euros eingetreten war. Der Weg zurück zu Nationalwährungen ist nämlich mit der Bildung einer Währungsgemeinschaft verwehrt, da die politischen und ökonomischen Kollateralschäden eines Auseinanderbrechens der Eurozone grösser erscheinen, als die etwaigen höheren Zinskosten, die eine vergemeinschaftete Bonität aller Euroländer für die Bundesregierung bedeutet. Folgen wir dieser Logik, so zwingt die gemeinsame Währung die Euroländer zur Bildung einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung und letztendlich zur Bildung eines neuen Souveräns. Und das war auch die politische Absicht hinter der Bildung der Währungsunion.
Es war natürlich bei der Schaffung des Euros schon klar, dass diese Krise, wie sie jetzt hervorbricht, früher oder später auftauchen musste. Eine solch grosse Anzahl Länder mit sehr unterschiedlichen Haushalts- und Produktivitätskulturen in die Zwangsjacke einer gemeinsamen Währung zu stecken, musste früher oder später zu Spannungen am Markt führen. Die Eurokrise war daher nicht nur vorhersehbar, sie war vorprogrammiert. Die Schuldenkrise bildet nun die Drohkulisse, um den nächsten „unausweichlichen“ Schritt hin zu einer politischen Union vom Bürger abzufordern. Die gemeinsame Haftung für Eurobonds kann nämlich nur funktionieren, wenn die Euroländer sich auch auf eine gemeinsame Wirtschaftsregierung einigen.
Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung ist aber de facto ein Staatscoup. Die wesentliche Machtbefugnis des Parlaments, d.h. des demokratischen Souveräns, ist die Budgethoheit und sie wird also an eine demokratisch nicht legitimierte Institution nach Brüssel übertragen. Es ist darum wirklich ein erstaunliches Stück geschickter Manipulation, dass fast niemand dagegen rebelliert. Man versucht dem Bürger diesen Schritt als notwendig zu verkaufen, da andernfalls die Währungsunion auseinanderfällt und es zu wirtschaftlichem und politischem Chaos kommt. Aber sind diese Argumente auch stichhaltig?
Die kritische Frage ist, ob Eurobonds überhaupt noch einen Sinn machen. Welche politischen Absichten auch immer mit diesen Schritten zum europäischen Superstaat verknüpft sind, so wird die Vergemeinschaftung der Schuldhaftung nicht der Befreiungsschlag aus der Verschuldungsfalle bedeuten. Eurobonds verzögern im besten Fall nur den unausweichlichen Forderungszusammenbruch, der im Schuldgeldsystem bereits vorprogrammiert ist. Da die Verschuldung durch den Zinseszinseffekt ja exponentiell zunimmt, schreitet sie mit immer schnelleren Schritten auf einen Forderungszusammenbruch hin. Jede Massnahme der Politiker, um sich Luft zu verschaffen, wird von der rasanten Eigendynamik des Schuldgeldsystems aufgefressen. Die Bonität der Vereinigten Staaten ist ja schliesslich auch aufgebraucht, obwohl die einzelnen Bundesstaaten – reiche oder arme- alle ihre Bonität in den gleichen Währungstopf werfen. Dass Eurobonds das Verschuldungsproblem lösen würden, ist also Augenwischerei.
Die Staaten sitzen einfach in der Zwickmühle: entweder erweitern sie die Geldmenge, d.h. sie verschulden sich noch mehr, um die Zinsen für die alten Schulden bezahlen zu können und riskieren damit eine Hyperinflation (wie in Deutschland in den Zwanzigern) oder sie versuchen, das Geld für die Zinsen zusammen zu sparen und drosseln dabei die Kreditvergabe, d.h. vermindern die Geldmenge, was aber eine deflationäre Krise heraufbeschwört (wie in den USA in den Dreissigern). Beide „Lösungen“ haben in dieser früheren Systemkrise zu schweren gesellschaftlichen Verwerfungen und schliesslich zu einem furchtbaren Kriege geführt(welcher die Systemkrise „löste“!).
Das Schuldgeldsystem funktioniert eben nur solange, wie dem exponentiellen Wachstum der Schulden nichts im Wege steht. Unendliches Wachstum ist aber unmöglich in einer begrenzten Welt. Irgendwann ist Ende der Fahnenstange, dann nämlich wenn der Schulddienst an den exponentiell wachsenden Schulden das Rückzahlungsvermögen der Menschen und Staaten übersteigt. Und dort sind wir jetzt angekommen.
Die einzig gangbare Lösung ist darum der Sprung aus der gefährlichen Logik des existierenden Geldsystems durch eine grundlegende Geldreform. An diesen notwendigen Schritt wagt aber niemand auch nur zu denken, denn es wäre ein Bruch mit dem herrschenden Paradigma, das Staat und Gesellschaft durchdringt. Die Diskussion über das Geldsystem gilt darum als ein blasphemischer Tabubruch unter Politikern und Meinungsmachen.
Und so entscheidet man sich, der Wirklichkeit nicht ins Auge zu blicken und lieber in den alten, gewohnten Geistesbahnen nochmal eine kleine Runde zu drehen. In denselben eingefahrenen Bahnen aber weiter zu wurschteln und eine weitere Verschuldungsrunde nun durch Eurobonds zu ermöglichen, gleicht der künstlichen Beatmung eines bereits gehirntoten Patienten. Es schiebt die Stunde der Wahrheit für ein zum Tode verurteiltes, weil mathematisch unmögliches Geldsystem nur unnötig hinaus. Nicht die Staaten sind in Wahrheit bankrott, sondern das Fundament unseres heutigen Finanzsystems. Dieses System kann nicht gerettet werden, denn es muss und es wird zusammenbrechen. Je schneller wir das Unausweichliche akzeptieren, desto schneller können wir beginnen, ein besseres, nachhaltigeres und gerechteres Operativsystem für unsere Marktwirtschaft zu schaffen. Lasst uns lieber den Blick nach vorne richten, anstatt unsere Ressourcen durch Eurobonds einem todkranken System hinterher zu werfen.
Wie kann es z.B. sein, dass die Staaten bei den Banken Geld leihen müssen, welches die Banken aus dem Nichts schaffen und dann dafür Zinsen verlangen können - um damit andere Banken, die sich verspekuliert haben, zu retten. Mit welchem Recht können dann diese Staaten im nächsten Zug von seinen Mitbürgern verlangen, dass sie den Gürtel enger schnallen, damit diese Zinsen bezahlt werden können? Warum kann nicht die Demokratie selbst durch eine politisch unabhängige Institution, das Geld schöpfen, das es zur Bewältigung seiner Aufgaben braucht? Dazu gibt konkrete Vorschläge.
Was wir also brauchen, um der Verschuldung Herr zu werden, ist daher nicht eine Vergemeinschaftung der Schulden durch Eurobonds, sondern eine Vergesellschaftung der Geldschöpfung. Wir brauchen eine Rückführung des Geldschöpfungsmonopols von den Banken zum demokratischen Souverän. Ansonsten schieben wir die Lösung des Problems nur auf: die exponentielle Verschuldung, die durch das Schuldgeld forciert wird, wird früher oder später auch die Bonität sämtlicher Euroländer aufgefressen haben.