Im Mai beginnt der Sommer in Israel. Das ideale Reiseziel für alle, denen die Balearen noch zu kalt sind. Und für Abwechslung ist auch gesorgt.
Tel Aviv im Mai
von Michael Mross
Eigentlich wollte ich dieses Jahr im Iran mal nach dem Rechten sehen. Doch die Stippvisite nach Teheran gestaltete sich schwierig wegen Visumpflicht. Kein Reiseziel also für Kurzentschlossene. Da ich aber ein paar freie Tage hatte ging es wieder nach Israel – kein Fehler, denn das Land ist die ideale Destination für Mai. Es ist noch nicht richtig heiß, die Temperaturen sind angenehm und das Meer bietet die nötige Erfrischung. Und für Abwechslung ist auch gesorgt.
Als ich im 12. Stock meines Hotels in Tel Aviv das Handy einschalte, kommt wie üblich eine Begrüßungs-SMS des Netzbetreibers. Doch dieses Mal traute ich meinen Augen nicht: „Welcome to Palestine“ prangte da auf dem Display. Und dann noch ein „Jawoll!“. Telefon-Propaganda?
Israel, Land der Widersprüche. War der Telefonanbieter seiner Zeit etwa voraus? Bei näherem Hinsehen entpuppte sich das „Jawoll“ jedoch als „Jawall“ und ist nichts anderes als der Telefonanbieter in den Besetzten Gebieten – welche praktisch schon vor den Toren Tel Avivs beginnen.
Israel im Mai: eigentlich ein angenehmes Reiseziel. Der Mai ist die beste Reisezeit. Vor der Tür lockt das Meer. Es steht deshalb der Besuch meines Strandrestaurants an. Sonnenschirme, chillige Musik, Ibiza-Feeling. Neben mir ein paar ausgelassene Jungs, die sich in aller Seelenruhe und unter den Augen der Öffentlichkeit einen Joint drehen.
„Ob das hier erlaubt sei“, will ich wissen. Antwort: „Fuck the police“ und schallendes Gelächter. Ich bin sehr überrascht – in Dubai würde man schon bei einem Mikrogramm Cannabis für 10 Jahre ins Gefängnis gehen, und für die Beleidung des Gesetzeshüters wahrscheinlich noch mal 10 Jahre.
Das Kraut stamme aus den Besetzten Gebieten, wurde ich aufgeklärt und es sei besonders gut. Manch einer wähnt deshalb schon, dass die Palästinenser die Moral der Israelis mit guten Drogen untergraben wollen. - Den Strandkiffern ist’s egal. Hauptsache das Zeug wirkt. Jedenfalls scheinen die bilateralen Handelsbeziehungen zumindest auf dieser Ebene zu florieren.
Jeder, der nach Israel kommt, fährt auch nach Jerusalem, sagt der Taxifahrer, als ich mich in dieses ruhige Auge des Religions-Hurrikans kutschieren lasse. Ja, es stimmt. Jerusalem ist immer wieder neu interessant – auch wenn man schon mal dort war.
Alt-Jerusalem. Es ist immer wieder neu faszinierend, wie hier Juden, Moslems, Christen inklusive all ihrer extremen Ausprägungen und Sekten friedlich auf einem Quadratkilometer zusammenleben. Auf engstem Raum die unterschiedlichsten Welten. Da eilen ultraorthodoxe Juden durch die engen Gassen des moslemischen Viertels. Da tragen armenische Christen ihr Kreuz auf der Via Dolorosa vorbei an alten Moscheen. Ein Moslem ist der Chef der Grabeskirche, dem Heiligtum der Christen. Man könnte meinen: es funktioniert doch! Warum müssen die sich alle streiten und bekriegen?
Doch der friedliche Schein trügt, wie jeder weiß. Das kann man wenige Kilometer außerhalb der Jerusalemer Altstadt sehen: „Das ist unsere Berliner Mauer“ – lacht der Taxifahrer, als wir an der Abtrennung zu den Besetzten Gebieten vorbei fahren. Ich weiß nicht, wie dieses Lachen zu interpretieren ist und frage: sind Sie Jude? „Nein, ich bin Araber. Araber mit israelischem Pass. Da drüben wohnen unsere Brüder, ich wohne hier“.
1,2 Millionen Araber haben einen israelischen Pass. „Und warum gehen sie nicht rüber?“ möchte ich wissen. „Weil ich hier geboren bin“, entgegnet der Chauffeur. Seine Vorfahren würden schon seit dem Mittelalter in Alt-Jerusalem wohnen, deshalb bleibe er hier. Als Israeli darf er jedoch „rüber“ – umgekehrt sei es schon schwieriger.
Und wie sieht es „drüben“ aus? Einen Besuch dorthin unternahm ich letztes Jahr: Willkommen in Palästina