SEC will regulatorischen Neustart für Krypto-Assets
Im Mittelpunkt von „Project Crypto“ steht die Neuausrichtung des US-Finanzmarktrechts im Hinblick auf digitale Vermögenswerte. SEC-Chef Paul S. Atkins betonte in seiner Rede vom 31. Juli 2025, dass viele bestehende Regelungen „nicht mehr zeitgemäß“ seien und Innovationen behinderten. Stattdessen wolle man Rahmenbedingungen schaffen, die es erlauben, Finanzprodukte wie Aktien, Fondsanteile oder Anleihen auf Blockchain-Basis zu emittieren und zu handeln.
Dafür soll die rechtliche Einordnung vieler Kryptowährungen überarbeitet werden. Während die SEC bislang viele Token unter das Wertpapierrecht stellte, sieht Atkins die Notwendigkeit, zwischen digitalen Wertpapieren, Stablecoins, Sammlerstücken und digitalen Rohstoffen zu unterscheiden. Das Ziel ist eine klare und rechtssichere Klassifizierung, die Investoren wie Anbietern Orientierung bietet.
Zudem sollen sogenannte „Safe-Harbor“-Regelungen für Initial Coin Offerings, Airdrops oder Netzwerkbelohnungen geschaffen werden – ein Schritt, der insbesondere US-Unternehmen helfen soll, die sich bislang aus regulatorischer Unsicherheit heraus auf Offshore-Standorte verlagerten.

Blockchain-Technologie als neue Infrastruktur für Kapitalmärkte
Ein zentraler Punkt der Initiative ist die sogenannte Tokenisierung. Dabei werden reale Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien oder Anleihen in digitale Token auf der Blockchain überführt. Diese können schneller, günstiger und mit höherer Transparenz gehandelt werden als traditionelle Finanzprodukte.
Laut SEC will man diese Entwicklungen nicht nur begleiten, sondern aktiv fördern. Bereits jetzt gibt es außerhalb der USA Anbieter, die tokenisierte Aktien anbieten – bislang allerdings ohne SEC-Zulassung. Larry Fink, CEO des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock, sprach sich im Januar 2025 öffentlich für die Tokenisierung aller Vermögensklassen aus.
Die SEC sieht in dieser Technologie das Potenzial, strukturelle Ineffizienzen der Märkte zu beheben – ähnlich wie es in den 1970er-Jahren durch die Gründung der Depository Trust and Clearing Corporation beim physischen Wertpapierhandel geschah.
Weniger Intermediäre, mehr Wahlfreiheit für Nutzer
Ein weiterer Bestandteil von „Project Crypto“ ist die geplante Modernisierung des sogenannten Custody-Regimes – also der Regelungen zur Verwahrung von Vermögenswerten. Nutzer sollen künftig die Wahl haben, ob sie ihre Krypto-Assets selbst verwahren (z. B. in einer Wallet) oder einem regulierten Dienstleister anvertrauen.
Damit reagiert die SEC auf Kritik an der bisherigen Praxis, insbesondere an den restriktiven Anforderungen für Broker und Investmentfirmen beim Umgang mit digitalen Assets. In den kommenden Monaten soll geprüft werden, wie bestehende Verwahrungsvorgaben gelockert oder angepasst werden können, ohne den Anlegerschutz zu gefährden.
USA öffnen sich für „Super-Apps“ und digitale Plattformmodelle
Auch sogenannte „Super-Apps“ stehen auf der Agenda. Diese aus Asien bekannten Plattformen vereinen Banking, Messaging, Handel und Social Media unter einem Dach – etwa wie WeChat oder Alipay. Laut Atkins sollten auch US-Anbieter wie Broker und Börsen künftig in der Lage sein, ähnliche Produkte anzubieten – ohne aufwändige Mehrfachlizenzen in über 50 Bundesstaaten einholen zu müssen.
Das sei nicht nur ein Innovationshemmnis, sondern ein struktureller Wettbewerbsnachteil gegenüber asiatischen Plattformen. Die SEC will daher eine effiziente Lizenzierungsstruktur schaffen, die mehreren Geschäftsmodellen unter einem rechtlichen Rahmen erlaubt, zu operieren.
Zwischen Regulierung und Standortpolitik
Auch wenn „Project Crypto“ ambitioniert wirkt, bleibt abzuwarten, wie schnell die geplanten Maßnahmen in konkrete Regeln und markttaugliche Anwendungen überführt werden. Der politische Wille ist in den USA klar erkennbar – vor allem vor dem Hintergrund wachsender internationaler Konkurrenz.
In Europa dagegen zeigt sich ein gemischtes Bild. Die EU hat mit der MiCA-Verordnung zwar ein umfassendes Regelwerk für Krypto-Assets geschaffen, doch die praktische Umsetzung ist vielerorts ins Stocken geraten. Projekte zur Tokenisierung von Aktien oder Industrieprozessen, etwa bei Siemens oder BASF, werden zwar erprobt, bleiben aber aufgrund regulatorischer Grauzonen auf begrenzte Pilotumgebungen beschränkt.
Gleichzeitig sind Kryptowährungen in vielen digital affinen Sektoren längst im Alltag angekommen. In der Gaming-Industrie ermöglichen Plattformen den Handel mit In-Game-Assets über Blockchain und Wallets. Digitale Belohnungssysteme, Tokengestützte Marktplätze und Play-to-Earn-Modelle sind besonders in Asien und Lateinamerika weit verbreitet. Auch Casinos mit Kryptowährungen finden global Anklang, wobei es Anbieter gibt, die nicht nur auf Zahlungsverkehr auf Blockchain Basis setzen, sondern basieren ganze Spielabläufe auf transparenten Smart Contracts (z. B. „Provably Fair“).
In China laufen mehrere industriepolitisch unterstützte Pilotprojekte, bei denen Smart Contracts für Lieferkettenprozesse, Zertifikatsvergabe und automatisierte Abrechnung in staatlich kontrollierten Ökosystemen erprobt werden. Insbesondere im Umfeld der Digital-Yuan-Initiative und staatlicher Plattformen wie der Blockchain Service Network entstehen reale Anwendungen, die sowohl Verwaltung als auch Industrie adressieren.
Südkorea hat bereits 2024 regulatorische Sandboxes für Blockchain im Gaming- und Finanzbereich ausgeweitet. Plattformen wie Wemix und Marblex ermöglichen tokenbasierte Spiele mit integrierter Wallet-Funktion – gefördert von staatlichen Innovationsprogrammen. Die Vereinigten Arabischen Emirate gelten inzwischen als Vorreiter bei der rechtssicheren Integration digitaler Vermögenswerte: In Dubai und Abu Dhabi haben sich spezialisierte Aufsichtsbehörden wie VARA und ADGM etabliert, die Lizenzen für Börsen, Custodians und DeFi-Projekte ausstellen. Besonders hervorzuheben ist die Einführung staatlich kontrollierter Fiat-Referenz-Token, mit denen digitale Zahlungen direkt an den Dirham gekoppelt sind.
Mit „Project Crypto“ will die SEC genau an diesen Entwicklungen anknüpfen und ein regulatorisches Umfeld schaffen, das Innovation nicht ausbremst, sondern gezielt ermöglicht. Der Verzicht auf pauschale Einstufungen, die Einführung klarer Anwendungsregeln und die geplante Flexibilität bei Lizenzen sollen dazu beitragen, dass solche Anwendungen künftig auch in den USA unter klaren gesetzlichen Bedingungen betrieben werden können. Ob sich daraus ein realer Standortvorteil ergibt, wird entscheidend davon abhängen, wie schnell diese Öffnung erfolgt – und ob andere Wirtschaftsräume bereit sind, technologisch und regulatorisch nachzuziehen.
Quellen:
https://www.sechistorical.org/collection/papers/1990/1999_0101_DTCHistory.pdf
https://www.youtube.com/watch?v=Mi3q_upPjBM
https://www.whitehouse.gov/issues/tech-innovation/
https://www.china-briefing.com/news/chinas-policy-driven-industrial-initiatives-2025/
https://www.bosch-ai.com/industrial-ai/fetch-ai-foundation/



